Predigt zum Privilegienfest 2019

Salier

Gesellschaft e.V.

 

 

Predigt bei der Lichtermesse am 3. August 2019 im Dom zu Speyer

 

Otto, cui regio Christum Pomerancia debet, templum complevit sculptile grande id opus. Totius orbis fanorum Mariana corona haec aedes facta est saecula condecorans. So lauten die Zeilen auf dem Otto-Portal im Südosten des Domes, das von dem Merzalber Künstler Karl-Heinrich Emanuel geschaffen wurde: Otto, dem Pommern das Christentum verdankt, vollendete diesen Dom als großartiges Bauwerk. Dieser Marientempel wurde zur Krone aller Kirchen der Erde, ein Schmuckstück für Jahrhunderte.

 

Diesen Bischof Otto von Bamberg möchte ich Ihnen heute vorstellen. Gleich drei ausführliche Lebensbeschreibungen gibt es von ihm. Auch wenn manche Einzelheit legendär sein mag, enthalten sie doch eine ganze Menge historisch zuverlässiger Informationen.

 

Otto stammt aus einem schwäbischen Adelsgeschlecht. Er wurde um das Jahr 1060 geboren. Als junger Priester ging er mutig in die Fremde, nach Gniezno, der heutigen polnischen Partnerstadt von Speyer. Dort residierte Herzog Władisław. Seine Frau war Judith, die Schwester von Kaiser Heinrich IV. Otto war dort Hofkaplan und lernte mit Erfolg die Landessprache. Wir wissen nicht genau, wann und wie Heinrich IV. ihn persönlich kennenlernte. Jedenfalls muss er sehr schnell von den Begabungen des jungen Geistlichen überzeugt gewesen sein. Er machte ihn um das Jahr 1097 kurzerhand zum Baumeister des Domes, wenig später auch zum Kanzler. Lassen Sie mich diesen Passus aus der Biographie des Mönches Ebo wörtlich zitieren:

 

„In dieser Zeit erbaute der hochberühmte Kaiser jenes große und bewunderungswürdige Bauwerk der Kirche von Speyer zu Ehre der allzeit jungfräulichen Maria, deren besonderer Schüler er war, mit königlicher Großartigkeit. Doch die Baumeister arbeiteten betrügerisch und ohne Gottesfurcht. Sie verbrauchten einen Großteil des Geldes für ihre Zwecke, so dass für den wunderbaren Bau das Geld fehlte. Daher wurde der Kaiser von nicht geringem Schmerz ergriffen und übertrug nach Beratung mit seinem zusammengerufenen Hofstaat seinem Vertrauten Otto die Leitung über das ganze Vorhaben, damit nach seiner erprobten Klugheit alles, auch das Bedeutende und Schwierige zu seiner Verfügung stand.

 

Der widmete sich scharfsinnig und umsichtig seiner Aufgabe – er wusste von dem Auftrag des Apostels, den irdischen Herren so wie Gott zu dienen (Eph 6,5), ging oft zum Königshof und gab Geld, das bei einer bestimmten Arbeit übrig geblieben war, getreulich zurück. Obendrein legte er als Zeichen seines Geschicks als Ingenieur klug das Maß der Fenster dar und ließ den Kaiser das Werk begutachten. Für diese freimütige beständige Zuverlässigkeit machte er sich nicht nur beim König, sondern auch bei allen Großen sehr beliebt die Gott dankten, dass sie ihn kennengelernt hätten. Er zeigte die innere Klugheit seines Herzens, so dass alle klugen Leute aus seinen Gebärden rasch merkten, dass in ihm Zukunft steckte.“ –  Soweit der Bericht des Mönches Ebo von Michelsberg.

 

Es gab also damals beim Dombau Korruption, Verschwendung, Eigennutz, Inkompetenz, unverantwortliches Verhalten der Bauleute. Dem machte Otto anscheinend ein Ende. Er war nicht nur ein guter Theologe, sondern auch technisch begabt und vor allem: er war ein integrer Mensch. Der Kaiser und seine Umgebung vertrauten ihm. Leider wissen wir nicht genau, worin seine Baumaßnahmen bestanden. Nur die Fenster werden erwähnt. Möglicherweise gehen auf ihn auch zurück die Verstärkung jedes zweiten Pfeilerpaares im Mittelschiff, der Bau der Kreuzgratgewölbe, die Gestaltung des Querhauses und die Zwerggalerie. Was seine konkrete Planung angeht, kommen die Gelehrten über Vermutungen und Hypothesen nicht hinaus. In nächsten Kapitel wird übrigens berichtet, dass Otto bei einem vertrauenswürdigen Bürger von Speyer namens Anshelm wohnte, dessen Sohn Richard Otto später zu seinem Sekretär machte.

 

 

1102 ernennt ihn Kaiser Heinrich IV. zum Bischof von Bamberg. Vorher hat Otto bereits zwei Bischofssitze ausgeschlagen, den von Augsburg und den von Halberstadt. War es nur Demut oder auch politische Vorsicht und Zurückhaltung? Schließlich befinden wir uns gerade auf dem Höhepunkt des Investiturstreits. Der Kaiser war bereits wieder im Bann. Das Reich und die Kirche waren gespalten. In dieser angespannten Situation macht Otto einen klugen Schachzug. Er will nicht ausschließlich ein Parteigänger Heinrichs IV. sein, ein Bischof nur von Kaisers Gnaden. Er weiß, dass er letztlich als Hirte der Kirche dem Papst verpflichtet ist. Dazu bedarf es einiger kluger Vorverhandlungen. Schließlich zieht er 1106 nach Italien, stellt sich dem Papst vor, wird von diesem anerkannt und empfängt aus dessen Hand in Anagni die Bischofsweihe. Otto kehrt nach Bamberg zurück und wirkt dort viele Jahre sehr segensreich. Er lässt den von einem Brand zerstörten Dom wieder aufbauen, gründet etliche Klöster, lebt anspruchslos und asketisch und widmet sich der Armenpflege.

 

Die Chronik überliefert, er habe geflickte Kleidung getragen. Als man ihn deswegen kritisiert, sagt er: „Das Vermögen des Bistums ist für Gläubigen da, wir dürfen es nicht nutzlos vergeuden.  Zugleich bewahrt er sich seinen missionarischen Eifer. Er schaut über den Tellerrand seines Bistums hinaus. Zweimal unternimmt er eine Missionsreise ins heidnische Pommern. Seine Verkündigung ist erfolgreich. Er kann viele Taufen spenden. Einmal entgeht er nur knapp der Todesgefahr. Am Ende seines Lebens kann er auf fast vierzig Jahre Bischofszeit zurückblicken. Ihm liegt an der Vermittlung im Konflikt von Staat und Kirche, zwischen Kaiser und Papst. 1111 nimmt er teil am Romzug Heinrichs V. und dessen Krönung. Damals scheitert ein erster und mutiger Lösungsvorschlag des Papstes am Widerstand der Bischöfe, die sich nur schwer von ihrer weltlichen Macht trennen können. 1122 nimmt Bischof Otto in Worms teil, als das Konkordat unterzeichnet wird, mit dem der Investiturstreit sein Ende findet.

 

Am 30. Juni 1039 stirbt er in Bamberg und wird dort in der Kirche des Michaelsklosters begraben, das er zeitlebens immer stark gefördert hat. Genau 50 Jahre später, am 10. August 1189 findet in Würzburg seine Heiligsprechung statt. Der Papst delegiert diese an die Bischöfe in Deutschland. Sie wird auf dem Hoftag des jungen Königs Heinrichs VI. gefeiert. Heinrich VI. war der Sohn von Friedrich Barbarossa und Beatrix von Burgund, die hier im Dom begraben ist, ebenso wie sein Bruder Philipp von Schwaben.

 

Als Papst Johannes Paul II. vor 1987 Speyer besuchte, ging er in seiner Predigt ausdrücklich auf Otto von Bamberg ein. Sein Thema war damals die Vision eines freien Europas – man bedenke: es war zwei Jahre vor dem Fall der Mauer – die Vision eines Europas, das seine Vergangenheit, seine christlichen Wurzeln nicht vergessen darf, wenn es Zukunft haben will.*

 

Seine Worte sind heute nach wie vor aktuell, ja geradezu prophetisch – nicht zuletzt auch angesichts der jüngsten Diskussionen um die Gestaltung Europas, seine Werte und Gemeinsamkeiten. Der Papst verweist darauf, dass Otto immer wieder als Friedensstifter aufgetreten ist. Er wollte auf keinen Fall eine Missionierung mit Zwang und Gewalt. Gerade darum war er damit so erfolgreich. Dabei zitiert der Papst ein wegweisendes Wort von Bischof Otto: ”Gott will keinen erzwungenen, sondern einen freiwilligen Dienst.“

 

Der Papst betont, wie wichtig dieses Leitwort ist für die Gestaltung Europas. Nicht Polizei- oder Militärmacht, nicht diktatorische Maßnahmen vermögen die grundsätzlichen Fragen zu beantworten und die gerechte gesellschaftliche Ordnung zu sichern. Die Achtung aller Grundrechte, gerade auch der Religionsfreiheit, so der Papst, soll das unabdingbare Fundament für die Zukunft Europas sein. ”Gott will keinen erzwungenen, sondern einen freiwilligen Dienst.“ Die Kirche wäre sicher gut beraten gewesen, wenn sie sich im Lauf der Geschichte immer gewissenhaft an diesen Grundsatz gehalten hätte. Leider ist sie selbst vielfach davon abgewichen und hat sich in Schuld verstrickt, was ihrer Glaubwürdigkeit bis heute schadet.

 

 

 

So gesehen kann der heilige Otto, für uns heute ein Patron Europas sein. Wie Papst Johannes Paul II. selbst, dieser große Europäer. Wenn wir den Dom durch das Hauptportal verlassen, fällt unser Blick auf seine Darstellung unten links: Otto von Bamberg bei der Domweihe unter Heinrich IV. Er klopft mit dem Stab an das Portal – ein Ritus, wie er früher bei der Kirchweihe üblich war, um das Gebäude für Gott in Besitz zu nehmen. Otto von Bamberg als Baumeister und Wegweiser, der Türen öffnet. Buchstäblich ein konstruktiver Heiliger, der immer wieder vermittelt und versöhnt hat. Sein festes Fundament war Christus. Wenn wir heute am Um- und Weiterbau von Kirche und Gesellschaft arbeiten, auch wenn wir am europäischen Haus nachhaltig weiterbauen, können wir uns gut und gern an seinem Vorbild orientieren.

                                                                                                                                        Josef D. Szuba

 

*Das vollständige Zitat lautet:

“Liebe Brüder und Schwestern! Der letzte große Baumeister am Dom von Speyer war der heilige Otto, der spätere Bischof von Bamberg. Von ihm ist bekannt, dass er in Gnesen den Frieden vermittelte zwischen Polen und dem Mecklenburgern und Pommern. Zugleich führte er diese beiden Stämme in wenigen Jahren zum Christentum, wobei er dem Grundsatz folgte, keine Missionierung mit Zwang und Gewalt durchzuführen. Von ihm stammt das großartige Wort: ”Gott will keinen erzwungenen, sondern einen freiwilligen Dienst.“.

 

Wie aktuell ist doch dieses Wort über die Zeiten hinweg für Europa und für die Welt von heute! Wie ein Leuchtturm sei es über die Probleme der Gegenwart gestellt, über die Konflikte und harten Fronten innerhalb einzelner Staaten. Nicht Polizei- oder Militärmacht, nicht diktatorische Maßnahmen vermögen die grundsätzlichen Fragen zu beantworten, die Klagen zu beheben, eine gerechte Ordnung des Gemeinschaftslebens herbeizuführen. Auf weite Sicht gesehen sind Wege in eine bessere Zukunft, in eine befriedete Welt, zu fruchtbarer Zusammenarbeit aller Gesellschaftsschichten nur möglich unter diesem allgemein anzuerkennenden Leitwort: ”Gott will keinen erzwungenen, sondern einen freiwilligen Dienst“. Unter dieser Idee allein werden auch die bedrohlichen internationalen Gegensätze zwischen den Staaten und Machtblöcken überwunden werden können, kann ein neues, geeintes Europa vom Atlantik bis zum Ural geschaffen werden.

 

Bei gewissenhafter Beachtung dieses Grundsatzes werden vor allem die Grundrechte des Menschen in der Gesellschaft und gegenüber der staatlichen Gewalt am besten gesichert sein. Eines der höchsten und heiligsten von diesen ist die Freiheit, Gott verehren und die eigene Religion ohne Zwang oder Behinderung ausüben zu dürfen. Dieser Dom hat es erlebt, wie blinder Hass gegen Gott und den christlichen Glauben ihn entweihte, den Gottesdienst verbot und seine Heiligtümer den Flammen preisgab. Darum erheben wir gerade von hieraus unsere Stimme, um alle Verantwortlichen in den einzelnen Ländern zu bitten, dahin zu wirken, dass in Gesamteuropa die Einschränkung und Unterdrückung der freien Religionsausübung für Personen und Gemeinschaften sowie für das Wirken der Kirchen endlich ein Ende Enden. Zusammen mit dem Recht auf Religionsfreiheit muss die Achtung aller Grundrechte der Einzelperson sowie aller Grundwerte für ein menschenwürdiges Zusammenleben das unabdingbare Fundament für die Zukunft Europas sein.“ (Nr. 7)

 

Literatur:

Ø  Hans Christ, Das Mittelschiff des Domes zu Speyer, das Werk Heinrichs IV. und seines Hofkaplans Otto,

in: Ludwig Stamer (hrsg) 900  Jahre Speyerer Dom. Festschrift zum Jahrestag der Domweihe 1061 – 1961, Speyer 1961

Ø  Metropolitankapitel Bamberg (Hrsg.) Bischof Otto von Bamberg. 1124 –1974 Bamberg 1974

Ø  Heimo Ertl   u. Hugo Stoll SJ (Hrsg.) Otto von Bamberg 1102 – 1139. Vorträge zum Jubiläumsjahr.

Ø  Nürnberg 1989

Ø  Alois Albrecht, Der heilige Otto. Bischof von Bamberg und Apostel von Pommern. Bamberg 1989

Ø  Historischer Verein für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg (Hrsg.),

Bischof Otto I. von Bamberg.

Ø  Reformer – Apostel der Pommern – Heiliger. Bamberg 1989, hier besonders: Wolfang Giese, Otto von Bamberg und der Speyerer Dombau S. 105-113

Ø  Ebo von Michelsberg, Der Pommernapostel Otto von Bamberg. Das Leben des Bischofs und Bekenners. Herausgegeben und übersetzt von Lorenz Weinrich. Schwerin 2012

Ø  w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/homilies/1987/documents/hf_jp-ii_hom_19870504_conceleb-spira.html