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Paderborn – Münster – Marburg

Studienfahrt 2006 So fuhren wir also nach Paderborn

Klaus saß diesmal aber nicht vorn,

Lilo musste die Stellung halten

Schnaps und die  Reisekasse verwalten.

Die Anfahrt erfolgte ohne Stau;

Wetter und Laune passten genau,

Spannung: Wer wird durch die Ausstellung führen?

Glück gehabt: Kompetenz war zu spüren

In allen Bereichen, - die Frau war Klasse,

genau wie die Ausstellung: Klasse statt Masse!

 

Ziel des ersten Tages unserer Studienfahrt 2006 war die Ausstellung in Paderborn anlässlich des 900sten Todesjahres von Kaiser Heinrich IV.

CANOSSA – Erschütterung der Welt

Diesmal  war Canossa in Paderborn, d.h. der Gang nach Canossa 1077 – ein historisches Ereignis – war das Ausstellungsthema dort.

Ehrensache, dass sich die Salier aus Speyer auf den Weg machten, um diese Ausstellung zu erleben.

Paderborn

Die Paderborner Ausstellung bestand aus drei großen Abteilungen:

Im Museum der Kaiserpfalz wurden die politischen Ereignisse, die sich mit dem Kon­flikt zwischen Herrschertum und Papsttum verbinden und deren Auswirkungen, darge­stellt.

Im Erzbischöflichen Diözesanmuseum ging es um die theologisch-geistesgeschichtlichen Wurzeln der Kontroverse, die von Rom und anderen italienischen Zentren ausgehenden Reformen und ihren Einfluss auf das Kunstschaffen der Zeit.

Die Städtische Galerie widmete sich dem Nachwirken der Ereignisse von Canossa, seiner Darstellung in Kunst und Karikatur und spürte dem Mythos vom „Gang nach Canossa“ bis in unsere Tage nach.

 

Da hatten wir ganz schön zu strampeln, um alles zu bewältigen, aber: es hat sich wirklich gelohnt. Unsere Führerin war wohltuend knapp, aber präzise in ihren Ausführungen. Alles kann man wohl nicht aufnehmen in der Kürze des Besuches, da müsste man tagelang zu Gange sein!

In der Kaiserpfalz waren vor allen Dingen für uns wichtig:

Der goldene Altar, sog. Krodo-Altar aus Goslar

Der Papstthron aus Rom, 11. Jh., Marmor, aus St. Giovanni in Laterano und gegenüber der Thron Kaiser Heinrichs IV. und die Lehnen vom Thron, um 1060-1080, Bronze, aus dem Stadtmuseum in Goslar.

Mit etwas Phantasie konnte man sich vorstellen, wie Heinrich IV. und Gregor VII., sich unversöhnlich gegenüber sitzend, jeder auf seine Macht pocht!

Besonders kostbar und seit dem Mittelalter zum ersten Mal in Deutschland zu sehen war das sog. Adelheidkreuz, das Reichskreuz Rudolfs von Rheinfelden, den die Fürsten zum Gegenkönig Heinrichs IV. ausriefen.

Im Diözesanmuseum begann der Rundgang mit Streitschriften, die das Ringen um die rechte Weltordnung am Ende des 11. Jh.. eindrucksvoll dokumentierten. Gezeigt wurden neben Urkunden und schwergewichtigen Riesenbibeln, kunstvoll gestalteten Evangeliaren, Stiftskreuzen und Altären auch Elfenbeinreliefs und Architekturfragmente.

 

Außerdem war die berühmte Paderborner Imad-Madonna zu sehen, eine Madonna der Romanik, aus Lindenholz geschnitzt, um 1051-1058 entstanden. Für den, der die Kunst der Romanik liebt, war diese Skulptur ein Erlebnis!

Eindrucksvoll war der Einblick in die verschiedenen Entwicklungsstränge der Romanik: Goldschmiedekunst, Schreine, Kreuze, Leuchter, Reliquiare, Buchmalereien und die beiden berühmten Paderborner Tragealtäre aus dem Dom und dem ehemaligen Benediktinerkloster Abdinghof.

Ein Höhepunkt war das Antependium aus Großcomburg, 12. Jh. So oder ähnlich kann man sich das goldene Antependium vorstellen, welches Kaiser Heinrich IV. einst dem Dom zu Speyer schenkte. Er hatte diese Altartafel als Geschenk von Kaiser Alexius Komnenus erhalten.

Die Ausstellung im Diözesanmuseum stellte auch Bezüge zu islamischen Arbeiten her, beschrieb kunsthandwerkliche Techniken und thematisierte Astronomie, liturgische Musik und volkssprachliche Literatur.

 

Die Städtische Galerie befasste sich mit dem geflügelten Wort „nach Canossa gehen“ im heutigen Sprachgebrauch. Büsten und Bilder, Karikaturen, Zeitschriften, Bierhumpen und vieles mehr boten vielfältiges Material, um der geschichtspolitischen Instrumentalisierung des Begriffs nachzuspüren......

 

Da guckte der bronzene Bismarck finster auf den mantelraffenden Heinrich IV. vor Canossa – und wir auf unsere malträtierten Füße: Genug der Kunst, jetzt musste alles erst mal verarbeitet werden.

 

Vielleicht zum Schluss noch ein paar Zahlen und Fakten:

700 Exponate von mehr als 200 Leihgebern aus 10 europäischen Ländern

Präsentationsfläche: 3.000 Quadratmeter in etwa 400 Vitrinen in 3 Museen

Schwerstes Ausstellungsstück: Der Sarkophag des Paderborner Bischofs Imad, er wiegt eine Tonne (der Sarkophag natürlich!).

50 Personen als Kernteam der Organisation.

Zwei Kunsttransportunternehmen legten zehntausende von Kilometern zurück, um die Schätze nach Paderborn zu bringen.

2,5 km Kabel wurden verlegt, 1.000 Kubikmeter Holz wurden verarbeitet.

5 Jahre betrug die Vorbereitungszeit dieses Mammutprojekts.

 

Und wir hatten gerade mal einen Nachmittag Zeit, um all die Schätze zu bestaunen, aber:

Es hat sich gelohnt!

Heinrich, egal wo Dein nächstes Canossa stattfindet, wir werden Dir weiter folgen...

 

Und so fuhren wir, es war schon finster,

zur nächsten Etappe: nach Münster!

 

Irmtrud Dorweiler

Münster

 

Samstag, 16.09.06

Nach dem Abendessen in unserem Hotel Conti, gingen sehr viele noch in die Innenstadt. Wir konnten so schon einmal einen ersten Eindruck von Münster bekommen. Am Prinzipalmarkt neben dem Rathaus haben wir noch draußen bei sehr angenehmer Temperatur gesessen und einen Schluck getrunken. Wir hatten uns zwar schon über die vielen Nobelkarosserien, die hier überall an den Bürgersteigen standen, gewundert und sahen dann den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Rüttgers und einige andere Minister das Rathaus verlassen. Wie wir erfuhren, fand in Münster der CDU-Landesparteitag statt.

Vom Hotel Conti gelangte man zwar sehr günstig in die Innenstadt, aber es lag am Bahnhof und da in Münster bei dem schönen Wetter niemand zu schlafen schien, war es sehr laut, wenn man die Fenster geöffnet hatte.

 

Am Samstagmorgen um 10 Uhr trafen wir uns mit der Stadtführerin, Frau Ursula Bogus, am Ägidienmarkt.

Der Friese Ludger wurde im Auftrag Kaiser Karls des Großen zum Missionieren in die Münsteraner Gegend gesandt. Er gründete hier 793 ein Monasterium und schon hatte der Ort seinen Namen Münster erhalten. Das Kloster befand sich auf dem Horsteberg, wo bereits die sächsische Siedlung Mimigernaford stand. 805 wurde Ludger zum Bischof geweiht. Die mittelalterliche Ausdehnung kann man heute noch an dem Promenadenring erkennen, der autofrei ist.

Münster wurde im 2. Weltkrieg fast völlig zerstört, zum Glück hat man nach dem Krieg die früheren Giebelhäuser und die Arkaden nach alten Vorlagen wieder aufgebaut. Münster hat 700 Kneipen und sehr viele kath. Kirchen, die alte Bi­schofsstadt wird auch als „Rom des Münsterlandes“ bezeichnet.

Auffällig sind die vielen Fahrradfahrer und Fahrräder, weswegen Münster auch „Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands“ genannt wird. Am Hauptbahnhof gibt es sogar eine Fahrradstation für 3300 Fahrräder.

Einen großartigen Blick auf den Dom hat man von der gegenüberliegenden Seite des Domplatzes aus. Der Dom wurde 1225 als typisches Beispiel romanischer Architektur aus gelbem Baumberger Sandstein begonnen und 1265 eingeweiht. Im zweiten Weltkrieg wurde er schwer zerstört und 1956 wieder hergestellt. Aller­dings hat er keinen Haupteingang mehr, man hat das Westportal zugemauert und mit 16 kleinen Rundfenstern in den Farben blau für Lebensfreude, grün für Hoffnung, rot für Blut und weiß für Licht versehen. Der Dom wird noch heute ge­prägt durch eine große Anzahl von Altären, Epitaphen und Heiligenstatuen der Gotik, Renaissance und aus dem Barock. Vieles wurde leider zerstört durch die Wiedertäufer und die Bomben des zweiten Weltkrieges.

Beeindruckend ist die 1540-42 errichtete astronomische Uhr. Im Dom zu Münster befindet sich auch das Grab des Bischofs Clemens August Kardinal von Galen, der im zweiten Weltkrieg durch seine mutigen Predigten in der Lambertikirche gegen die Tötung der Geisteskranken bekannt wurde.

Nach der Einführung der Reformation übernahmen die Wiedertäufer unter Johann von Leyden die Herrschaft in Münster, die nach 16 Monaten blutig endete. Drei Anführer wurden in Käfigen gefangen gesetzt und im Turm der Lambertikirche auf­gehängt, heute sieht man abends drei Lichter im Turm. Die Lambertikirche konnten wir leider nicht besichtigen, weil sie erst einen Tag später nach Restaurations­arbeiten wieder eröffnet wurde. Aus der Türmerstube ertönt seit 1950 nach meh­reren Unterbrechungen allnächtlich zwischen 21-24 Uhr wieder das Kupferhorn eines Türmers.

Das gotische Münsteraner Rathaus mit hohen Giebeln aus dem 14. Jh. .wurde nach der Zerstörung originalgetreu wieder aufgebaut, das Inventar hatte man zum Glück ausgelagert.

Im sogenannten Friedenssaal fanden früher Ratswahlen und Ratssitzungen statt, hier wurden auch die Gesandten empfangen, die sich bemühten durch Gespräche und Vereinbarungen in ihren Quartieren den dreißigjährigen Krieg zu beenden. In Münster kamen das Reich, Frankreich und die katholischen Länder überein und in Osnabrück das Reich, Schweden und die protestantischen Mächte. Im Friedenssaal fand die feierliche Beeidigung des Friedens zwischen Spanien und den Generalstaaten statt.

Beeindruckend war auch die sehr moderne, 1993 durch die Architekten Bolles und Wilson erbaute und neben dem Krameramtshaus stehende Stadtbücherei.

Am Abend ließen wir im Alten Gasthof Leve beim Abendessen und gemütlichem Beisammensein den Tag ausklingen.

Inge Beckmann

Marburg

Und sonntags! Unsere letzte Station – „Marburg!

 

Nach der zweiten unruhigen Nacht in Folge …., direkt neben unserem Hotel trieb lautstark eine Disco ihr nächtliches Unwesen…., also erst um drei Uhr in der Früh, schloss dieses Etablissement endgültig. Aber erst zwei Stunden später, um 5 Uhr waren endlich alle nächtlichen Schreier und Tänzer verschwunden. Jetzt,--- jetzt könnte man schlafen. Oh süße Ruh sei willkommen, aber nun geht’s zum Frühstücksbüfett. (Ein Trostpflaster, wenigstens das Frühstück war reichlich und gut).

Danach bestiegen wir den Bus zur Weiterfahrt.

Wie schon die beiden Tage vorher, hatten wir strahlenden Sinnenschein. Dies bezeichneten Kenner dieser Gegend als kleines Wunder, denn die Stadt Münster sei das Regenloch Deutschlands. Also – bei besagtem herrlichen Sonnenschein- fuhren wir teils auf der Autobahn, teils aber auch auf Landstraßen durch eine liebli­che, schöne Landschaft. Unserem Busfahrer machte es sichtlich Freude fast ohne Gegenverkehr durch das Sauerland bis nach Hessen zu fahren.

Um etwas nach 12 Uhr mittags, war Einfahrt und Ankunft in Marburg. An der Elisabeth – Kirche vorbei ging es zu einem Busparkplatz und hier entließ uns unser Fahrer mit der Bitte, um 17 Uhr hier wieder pünktlich zur Abfahrt da zu sein. Aber vorher, um 14 Uhr, war eine Stadtführung für uns gebucht, Treffpunk Hauptportal der Elisabeth – Kirche.

Bis dahin hatten wir Zeit zur freien Verfügung.

Ein großer Teil unserer Gruppe stürmte gleich los mit dem Ziel, hinauf in die Oberstadt von Marburg.

Einige von uns sahen sich um, studierten den Stadtplan, schauten auf die Zeitmesser…. Und, wir haben nur 1 ½ Stunden Zeit, müssen aber auf jeden Fall wieder zurück zur Kirche. Und wenn dann später die offizielle Stadtführung be­ginnt, müssen wir wieder zur Oberstadt hinauf aufsteigen. Und Zeit ist kostbar und Hunger haben wir auch.

Nach einer kurzen Beratung beschlossen wir zurück zur Kirche zu gehen und suchen dort ein geeignetes Lokal zwecks gemütlicher Speisung. Außerdem sind wir so bereits am vereinbarten Treffpunkt.

Geplant und sogleich umgesetzt und wirklich unsere Vermutung war richtig, bei dem Gotteshaus befanden sich einige Gasthäuser.

Nun die Qual der Wahl. Hier war es uns zu armselig, aber hier bei dem Griechen vielleicht, aber oh Schreck! Möglicherweise hat er gar Gammelfleisch. Mehr Vertrauen hatten wir „Zum alten Ritter“. Allein schon das Wort Ritter klingt für uns Mittelalterfans vertrauter wie etwa „Tsatziki“ oder Gyros. Also nichts wie rein.

Wir (Ahnungslosen) landeten einen Volltreffer. Sowohl das Ambiente als auch die Bedienung und natürlich die Hauptsache, das Essen, alles war bestens und stimmig in Qualität und Preis. Wir ließen es uns gut gehen, saßen gemütlich unter einem Sonnenschirm, die Sonne lachte und wir wurden sogar richtig satt. Was will man mehr? Da wir bereits gezahlt hatten und bei dem abschließenden Kaffee angelangt waren, konnten wir gemütlich zusehen, wie unsere Salier vereinzelt oder gruppenweise den Berg herunter gelaufen kamen.

Um Punkt 14 Uhr waren alle samt Busfahrer am Hauptportal der Kirche eingetroffen

Unsere Stadtführerin, Frau Hoffmann, eine lebhafte etwas ältere Dame, konnte sofort mit ihrem profunden Wissen loslegen.

Die Elisabethkirche ist die erste gotische Kirche, die auf deutschem Boden erbaut wurde. Der neue gotische Baustil kam aus Frankreich und wurde in Deutschland sofort angenommen. Er löste die romanische Bauweise ab, wobei die Veränderung fließend war. Es gibt keinen markanten Stichtag, ab welchem sich die reine Romanik von der reinen Gotik unterscheidet. Geplant und erbaut wurde die Elisa­bethkirche vom Deutsch – Orden.

Im Jahre 1231 starb die Hl. Elisabeth. Die Grundsteinlegung war am 14 August 1235 und bereits 14 Tage vorher wurde Elisabeth schon heilig gesprochen. Darum sollte die neue Kirche auch ihre Grablege sein.

Elisabeth von Thüringen war eine ungarische Fürstentochter und kam mit 4 Jahren nach Thüringen, mit 13 heiratete sie planmäßig Ludwig, den Landgrafen von Thüringen. Er starb bei einem Kreuzzug in heilige Land, somit war Elisabeth mit 21 schon Witwe.

Ihr Schwager, Konrad von Thüringen, war ein gar arger Wüterich! Er betrog den Sohn von Elisabeth um sein Erbe. Daraufhin musste Elisabeth Thüringen verlassen und sie begab sich nach Marburg in Hessen, dem nächst gelegenen Landesteil bei Thüringen. Der liebe Schwager agierte weiterhin so geschickt, dass er bereits im Jahre 1239 zum Hochmeister des Deutsch – Ordens gewählt wurde.

Hier in Marburg ließ Elisabeth von ihrer ersten Witwenpension das erste Hospital erbauen, es war ein einfaches Häuschen aus Lehm und Holz. Am 17. November 1231 starb Elisabeth mit erst 24 Jahren an totaler Erschöpfung und Entkräftung. Nach ihrem Vorbild Franz von Assisiverbrachte sie ihr Leben  in Mildtätigkeit und aufreibender Arbeit für die Armen und Leidenden. (sehr zum missfallen ihrer Ver­wandten und des Adels).

Wir gingen durch das Hauptportal in das Innere der Kirche. Hier beeindruckten die guten Proportionen und die wunderschönen Glasfenster, welche eine ganz eigene Stimmung verbreiteten.

Am Hauptportal befindet sich eine Kreuzesdarstellung, Christus mit Joch, das Kreuz als Joch gesehen. Es ist wunderbar gestaltet von Barlach Außer der Grablege der Hl Elisabeth und ihrem Reliquienschrein wurde die Kirche auch Grablege der Hessischen Landgrafen. Gleich beim Eingang links in einer eigenen Nische befindet sich die Ruhestätte des letzten deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg mit seiner Frau Gertrud.

Wir bestaunten weiter den Hochaltar, den Marienaltar, den Johannesaltar, die Grablege der Preußenkönige und und und….

Als wir die Kirche verließen, sahen wir eine Menge aufgegrabener Erdhaufen. Im kommenden Jahr, 2007, feiert Marburg sein achthundertjähriges Bestehen. Da viele Gäste und Touristen erwartet werden, wollte die Stadtverwaltung die Außenanlage der Kirche etwas schöner und zweckmäßiger gestalten. Bei den Ausgrabungen fanden die Arbeiter dann zufällig drei Lagen von Skeletten. Zuerst glaubte man es seien Gräber von Deutsch – Ordensleuten. Da man aber bei den Skeletten Kupfer – und Goldfäden fand, passte dies nicht zum Bild der Deutsch – Ordensleute. Man forschte weiter und fand in alten Quellenangaben, dass im 16. Jahrhundert Mädchen, die unverheiratet starben, mit einer sog. Jungfernkrone beigesetzt wurden, - sofern das Erbe der Kirche zufiel.

Wir verließen diese jetzt evangelische Kirche und machten uns auf zum Aufstieg in die Oberstadt. Vorbei am Denkmal von Bering, dem Erfinder des Serums gegen Diphtherie, weiter vorbei an den Ruinen des Deutsch – Orden – Hospitals und hier teilt sich die Straße. Die linke Seite durften die armen Leute benutzen, die rechte Seite war den Adeligen vorbehalten.

Unsere Gästeführerin zeigte uns ein exotisches Fachwerkhaus, ein sog. Angeberhaus von 1866. Man zeigte es damals, wenn man Geld hatte. In diesen Jahren entwickelte sich ein eigener Baustil. Lehm holte man aus der Lahn, dazu wurden Weidenzweige und Stroh gemischt. Als Farbe für die Außenwand wurde Ochsenblut verwendet. Es begann die Zeit des Historismus.

Als 1871, nach dem Krieg gegen Frankreich, reichlich Reparationsgeld nach Preußen floss, bekam Marburg viel Geld aus Berlin zugewiesen, was dann auch zu Fachwerkhäusern aus Backstein führte (ab 1890).

Als vor einiger Zeit bei Bauarbeiten an der Stadtbefestigung die Bauarbeiter mitsamt ihren Maschinen in ein großes Loch fielen, stand man erneut vor einem Rätsel. Bei weiteren vorsichtigen Grabungen stieß man auf eine Architektur aus dem 14. Jahrhundert, die Außenmauern waren sogar noch älter. Sie stammten aus dem 12. Jahrhundert. Die Zuordnung wurde den Archäologen leicht gemacht. Es gab einen Schlussstein mit Davidsstern, eine Treppe für die Priester und eine Ungleichheit der Wände usw. Alles deutet auf eine Synagoge hin. Wahrscheinlich wurde sie 1366 bei der großen Pestwelle zugeschüttet. Niemand wusste davon, obwohl die Namen – Judengasse und Dreckloch – noch heute für diese Stelle bei den Marburgern verwendet werden. Wir bestaunten alles gebührend und einige von unserer Gesellschaft sammelten fleißig Geldstücke vom Boden auf und legten diese auf einen Sammelstein. Das Gebäude bekam eine moderne Glaskonstruktion und weil die Ausgrabungen in einem Loch liegen, kann man nunmehr alles von der oberen Straße her bestaunen. Durch die Glasritzen der Konstruktion kann man Münzen einwerfen, was vor allem Kinder ausnützen.

1898 hatte Marburg eine jüdische Gemeinde von 600 Mitglieder, 1934 wurden nur noch 100 Juden gemeldet.. Heute hat Marburg bereits fast 600 jüdische Mitglieder, dank der russischen Aussiedler. Marburg hat z.Z. 75.000 Einwohner, davon 20.000 Studenten.

Langsam nähern wir uns dem historischen Marktplatz. Hier steht die erste Protestantische Martinskirche.

In die Geschichte eingegangen sind die Marburger Religionsgespräche vom 1. bis 4. Oktober 1529 zwischen Luther und Zwingli, mit Melanchton, Krafft, Bucher, Hedio und Landgraf Philipp II. von Hessen.

Seit 1527 gibt es in Marburg eine Universität. Viele be­ühmte Leute weilten in dieser Stadt wie z. B. Friedrich Karl von Savigny, Begründer der Germanistik, die Brüder Grimm waren seine Schüler. Ebenso lebten Schiller und Goethe, Bettina von Arnheim und ihr Bruder zeitweise in Marburg.

Sehenswert sind die ersten Steinbauten am Marktplatz, wie das Bücking’sche Haus und das Steinerne Haus mit der Novität von damals, einer Außentoilette. Es gleicht einem putzigen Erker.

Das von der Tochter der Hl. Elisabeth, Herzogin Sofie von Brabant, erbaute Schloss konnten wir nicht besichtigen, es ist heute zum größten Teil Universitätsbücherei.

Eine Drehung um 180 Grad und wir bestaunten das Rathaus. Es wurde an einem Steilen Hang von 1512 bis 1514 erbaut. Im Untergeschoss war ursprünglich eine Kaufhalle für Fleisch, im ersten Obergeschoss war der Ratssaal untergebracht.. Der mittlere Teil des Daches ist als Staffelgiebel ausgebildet, rechts und links davon wurde ein Satteldach konstruiert.

Wir hatten Glück! Während wir noch schauten….denn je­des Mal zur vollen Stunde kommt Bewegung auf. Zuerst tönt die trompete von Jericho und dann gibt der goldene Hahn noch das seine dazu mit Geräuschen, die sich anhören erschreckendes Hundegebell und Krähengeschrei. Es klingt disharmonisch und heiter.

Und zum Schluss hat Frau Hoffmann  noch ein Schmankerl für uns Salier bereit.

Nur einige Schritte weg vom Zentrum stehen wir vor einem Gebäude, der ehemaligen Kilianskapelle. Der reine romanische Baustil wird der Salierzeit zugeordnet und darum vermutet man, dass Vorfahren des fränkischen Hauses diese Kapelle erbaut haben. Zur Restaurierung wurden Sandsteine aus Indien eingeführt, weil sich Sandstein von solcher Stärke bei uns nicht mehr finden lässt. Bei der Rechnung der Lieferung sollen die Marburger Stadträte beinahe in Ohnmacht gefallen sein.

Nun ging’s zurück zum Marktplatz, eine herzliche Verabschiedung von unserer Stadtführerin mit obligatorischen Fotos und uns blieb nur noch etwas Zeit zu einem Café oder einer anderen kleinen Erfrischung.

Hinter dem Schlossberg kam eine bedrohliche dunkle Wolke auf. Also war etwas Tempo angesagt und so waren alle pünktlich an der Abfahrtsstelle und wir fuhren unserem Zuhause entgegen.

Die dunkle Wolke war eine Angeberin, es fielen nur vereinzelt kleine Tröpfchen. Das Wetter hielt, nur ab Schifferstadt waren die Straßen nass.

So, das war’s, geschehen im September Anno 2006.

 

Lilo Schweickert

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