südseiteklein.jpgPredigt zum 1000. Geburtstag von Kaiser Heinrich III. (2017)

Krone33.jpgSalier

Gesellschaft e.V.

 

Predigt in der Krypta des Speyerer Doms

am 28. Oktober 2017 anlässlich des 1000. Geburtstages Kaiser Heinrichs III.

 

Als Kaiser Heinrich III. am 5 .Oktober 1056 starb, wurde sein Körper nach Speyer überführt und am 28. Oktober – seinem Geburtstag – hier bestattet. Sein Herz hingegen blieb in Goslar. Dort wurde es in der Vierung der Stiftskirche beigesetzt. Das Stift St. Simon und Judas neben der Kaiserpfalz war eine Gründung Heinrichs: eine dreischiffige Basilika von gewaltigen Ausmaßen. Leider wurde die Stiftskirche Anfang des 19. Jahrhunderts aufgegeben und als Steinbruch benutzt. Erhalten geblieben ist lediglich die gewaltige südliche Vorhalle, die noch etwas von der alten Pracht erahnen lässt.

 

Mehr als zweihundert Jahre nach dem Tod Heinrichs erteilte das Stiftskapitel den Auftrag, ein neues, figürliches Grabmal zu schaffen, das bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben ist. Es zeigt Kaiser Heinrich lebensgroß als Liegefigur, jung, bartlos, in höfischer Kleidung, mit Krone und Zepter, den Insignien seiner Macht, zu seinen Füßen ein Hund als Symbol der Treue. Im Arm trägt er ein Modell der Stiftskirche, die ja seine Lieblingsgründung war. Nicht von ungefähr hatte sie als Patrone die Apostel Simon und Judas. Ihr Fest am 28. Oktober war ja zugleich sein Geburtstag. Offensichtlich fühlte er sich dadurch mit den beiden Heiligen sehr verbunden. Nach den Abriss der Stiftskirche fand das Grabmal seinen neuen und würdigen Platz in der Ulrichskapelle der benachbarten Kaiserpfalz. Das Grabmal ist ein Beispiel für die im 13. Jh. zunehmende Stifterverehrung.  Darüber hinaus handelt es sich um eines der wenigen figürlichen Grabmäler für einen deutschen König, die uns erhalten geblieben sind. (Ein weiteres aus dieser Epoche für König Rudolf von Habsburg finden wir ja in der Vorhalle zur Grablege hier im Dom.)


Im Hildesheimer Stadtarchiv liegt eine bis heute noch nicht edierte Handschrift aus dem Jahr 1435, der „Ordinarius de preparamentis, cappis, tapetibus etc. ecclesie Goslariensis. Diese Handschrift enthält sehr detaillierte Hinweise für die Gottesdienste im Stift St. Simon und Judas. Unter anderem wird das Jahrgedächtnis für den Stifter Kaiser Heinrich III. ausführlich beschrieben. In der Nacht vom 4. zum 5. Oktober wurde zur liturgischen Nachwache, der Vigil, zunächst mit der Kaiserglocke geläutet, dann mit allen Glocken der Stiftskirche. Für den nächtlichen Gottesdienst wurden – wie am Osterfest  – der goldene Altar sowie alle kostbaren Heiligenschreine im Altarraum aufgestellt und alle Teppiche im Chor ausgebreitet. In der Vierung der Stiftskirche wurde der hölzerne Schausarg geöffnet, mit dem das Grabmal verhüllt war. Die Figur war mit Leichentüchern bedeckt und von vier Kerzen umrahmt. 

 

Damit wurde quasi ein Begräbnisgottesdienst simuliert, eben ein Gottesdienst, bei dem der Leichnam anwesend ist.  Dazu – so die genauen Anweisungen – war eine Predigt des heiligen Augustinus vorzulesen, eine Predigt, in der er das 4. Kapitel des 1. Thessalonicherbriefes auslegt. Augustinus führt darin folgende Gedanken aus: Wenn wir die Todestage unserer Verstorbenen feiern, so sind wir verpflichtet, zweierlei zu bedenken: dasjenige, was zu erhoffen und dasjenige, was zu befürchten sei.  Beides beschreibt die Heilige Schrift: Den Sündern droht das ewige Feuer, die Gerechten erwartet das ewige Leben.  Entscheidend ist der Glaube an Jesus Christus.  Wer lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben, zitiert der Kirchenvater dann das Johannesevangelium (Joh 11,26).

 

Nach dem Ende der Vigil wurde eine Kerze entzündet. Die sollte die ganze Nacht vor der Grabplatte brennen.  Vor der Messe am Morgen waren wiederum alle Glocken zu läuten.  Nach dem feierlichen Gottesdienst sollten Almosen an die Armen verteilt werden. – Offensichtlich war das Gedenken an Heinrich III. in Goslar auch vierhundert Jahre nach seinem Tod noch sehr lebendig.  Die Sorge um das Seelenheil führte zu einer  „Ethik des Aneinanderdenkens und Füreinanderhandelns“ (Jan Assmann). Wir kennen diese Haltung ja auch hier aus Speyer vom Privilegienfest, wenn zugleich mit den verstorbenen Herrschern auch der Armen gedacht wird.

 

Auf eine zweite Darstellung Heinrichs möchte ich noch eingehen: Das Widmungsbild unseres Codex aureus, dessen Seite hier vorne aufgeschlagen ist, zeigt ihn im Purpurmantelzusammen mit seiner Frau Agnes. Demütig überreicht er der Gottesmutter das goldene Evangeliar, das er gestiftet hat. Zugleich legt Maria segnend die Hand auf Kaiserin Agnes. Der Kaiser, so die Umschrift – betet zu Maria, sie möge ihm und seiner Familie zu allen Zeiten Helferin und Gönnerin sein. In den Medaillons finden sich die Personifikationen der vier Kardinaltugenden: die Gerechtigkeit, das rechte Maß, die Tapferkeit und die Klugheit.  All jene Tugenden, die einen Herrscher auszeichnen sollen, der sich am Evangelium orientiert, jene Tugenden, die er immer wieder erbitten und anstreben muss.

 

Maria wird als Sitz der Weisheit dargestellt. In ihr hat sich die Menschwerdung Gottes vollzogen. Sie repräsentiert das Heilsgeheimnis, dass Gott in diese Welt kommt und uns begegnen will. Die ewige Weisheit Gottes hat Fleisch angenommen in Jesus Christus. Hinter der thronenden Muttergottes sehen wir eine stilisierte Darstellung unseres Doms. Nicht zufällig hat er in der unteren Reihe zwölf Fenster. Sie erinnern an die zwölf Apostel, auf die die Kirche gegründet ist. Zwei davon feiern wir ja heute. Es ist ja auch kein Zufall, dass das Hauptschiff unseres Domes bis heute  auf jeder Seite von zwölf mächtigen Bögen getragen wird. Sie weisen hin auf das himmlische Jerusalem mit seinen zwölf Toren, wie es die Offenbarung des Johannes beschreibt (Offb 21,10ff).

 

„Spira fit insignis Heinrici munere regis.“ – Speyer wird im Glanz erstrahlen durch König Heinrich Gunst und Gabe. Diesen Satz lesen wir über der Darstellung des Domes im Codex aureus. In der Tat: Speyer – und nicht nur Speyer - verdankt Heinrich III. viel. Dankbar wollen wir heute seiner gedenken. Auch wenn tausend Jahre zwischen ihm und uns liegen. Die Grundlagen unseres Glaubens haben sich nicht geändert. Wir hören das Wort Gottes. Wir feiern die Eucharistie und begegnen dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Und wir vertrauen darauf, dass Gott uns durch die Geschichte begleitet und uns Hoffnung schenkt auf das ewige Leben.  Das wollen wir jetzt gleich im Apostolischen Glaubensbekenntnis,  das ja – wie der Name sagt – auf die Apostel zurückgeführt wird. Jeder von ihnen, so sagt eine schöne Tradition, hat einen der zwölf Artikel beigesteuert. Beten wir es gemeinsam in der Gewissheit, dass wir damit ein festes Fundament unter den Füßen haben, das uns hilft, was auch immer kommen mag, zuversichtlich in die Zukunft zu gehen.

 

Josef D. Szuba

 

 

Literatur:

Wolfgang Beckermann. Das Grabmal Kaiser Heinrichs III. in Goslar (Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur des Mittelalters, Band 3, 1998

 

Das Herz Heinrichs III. Herrschersakralität, Raumvorstellungen und der tote und der lebende Körper des Königs, in: Verfassungsgeschichte aus internationaler und diachroner Perspektive, hg. von Franz-Josef Arlinghaus, Bernd Ulrich Hucker und Eugen Kotte, München 2010, S. 175-192

 

Das Goslarer Pfalzstift St. Simon und Judas und das deutsche Königtum in staufischer Zeit. Bernd Schneidmüller, in: Geschichte in der Region. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Schmid, hg. von Dieter Brosius/Christine van der Heuvel/Ernst Hinrichs/Hajo van Lengen. Hannover: 1993, 29-53

 

Tillmann Lohse. Das Goslarer Pfalzstift St .Simon und Judas: Eine Stiftung für die Ewigkeit?; in: Harz-Zeitschrift Band 54/55 (2002/2003); S. 85-106

 

Das salische Kaiser-Evangeliar. Der Kommentar, Johannes Rathofer (Hrsg.), mit einem Geleitwort von Bischof Anton Schlembach. Münster u. a., Verlag Bibliotheca Rara. 1998. Speziell zum Thema: Bd. I.: Joachim Gaus. „Quod est coelum, hoc est liber“ – Der Miniaturenzyklus des Codex aureus escorialensis im Licht frühmittelalterlicher Herrschertheologie. Das Dedikationsbild, S. 442ff

 

Zur Frage der genauen Datierung des Geburtstages: http://www.regesta-imperii.de/nachrichten/aktuelles/details/heinrichiii-mit-neuem-geburtsjahr.html

 

 

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