südseiteklein.jpgPredigt zum Privilegienfest 2016

Krone33.jpgSalier

Gesellschaft e.V.

 

Konrad_und_seine_Gemahlin_GiselaPredigt zur Lichtermesse 2016

am 6. August 2016 in der Krypta des Domes

Majestas Domini – die Majestät, die Herrlichkeit des Herrn. So nennt man die Darstellung, die Sie auf der Vorderseite Ihres Liedblatts sehen. Es ist das erste Widmungsbild des Codex aureus, also des Evangeliars, das Heinrich III. 1046 dem Dom zu Speyer geschenkt hat, ein großartiges Kunstwerk, das im Skriptorium, der berühmten Schreibstube der Abtei Echternach entstanden ist. Als ich auf der Suche war nach einer Darstellung, die zum heutigen Fest der Verklärung des Herrn passt, bin ich sehr schnell auf dieses Bild gestoßen. Ich möchte es mit Ihnen heute gemeinsam betrachten.

Majestas Domini: Christus wird dargestellt als unumschränkter Herrscher – wie es die Vision des Propheten Daniels über den Menschensohn aus der heutigen Lesung sagt:

Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben.

Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen.

Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft.

Sein Reich geht niemals unter (Dan 7,14).

Für die ersten Christen war es sehr naheliegend, diese Vision des Menschensohns auf Christus zu beziehen. Wer anders als er ist von Gott erwählt und erhöht worden? Er ist Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Seiner Herrschaft wird kein Ende sein, wie es im Credo heißt.

Der Herr der Herrlichkeit thront in einer Mandorla, einem mandelförmigen Oval, auf einem kreisförmigen Bogensegment. Sein Haupt ist umgeben von einem Kreuznimbus, seine Rechte ist zum Segnen erhoben. Er trägt ein langes weißes Untergewand, darüber einen blaugefütterten purpurroten Mantel, der ihn als Herrscher auszeichnet. Bei der Verklärung heißt es ja auch  Sein Gewand wurde leuchtend weiß“ (Lk 9,29) Weiß als Farbe des göttlichen Lichts, das alles erleuchtet. In der Linken hält er ein geöffnetes Buch – das Wort Gottes, das er verkündet, ja, das er selbst ist. Er thront auf einem Bogen – wohl eine Andeutung des Regenbogens, der sich über der Erde wölbt. Zu seinen Füßen sehen wir einen kleineren Kreis, der für die Erde steht. Hier wird das Bibelwort aus dem Buch des Propheten Jesaja illustriert:

So spricht der Herr:

Der Himmel ist mein Thron und die Erde ist der Schemel meiner Füße.  

Wo ist der Ort, wo ihr mir ein Haus bauen könntet?

Wo ist das Heiligtum, in dem ich selber wohnen könnte?

Denn das alles habe ich doch selber erschaffen.

Es gehört mir ja schon – Wort des Herrn(Jes 66,1f).

Die Größe Gottes lässt sich eben nicht eingrenzen. Sie übersteigt alle weltlichen Vorstellungen und Begriffe. Die Gestalt Christi ist in den Goldgrund der Ewigkeit getaucht. Der blaufarbene Grund zu seinen Füßen und außerhalb der Mandorla erinnert an die Offenbarung des Johannes. Wie es überhaupt viele Anspielungen auf dieses letzte Buch der Bibel gibt, das in großartigen Visionen einen Einblick in die himmlische Wirklichkeit gibt. Dort ist davon die Rede, dass sich vor dem Thron Gottes  ein gläsernes Meer befindet, das einem Kristall gleicht. (Offb 4,6) Dazu passt die Inschrift, die im Goldgrund der Mandorla links und rechts nur schwer zu entziffern ist, ein lateinischer Text in griechischen Buchstaben:

Benedictum nomen majestatis eius in aeternum,

et replebitur majestate eius omnis terra.

Gepriesen sei sein herrlicher Name in Ewigkeit.

Seine Herrlichkeit erfülle die ganze Erde.

Ein Zitat aus Psalm 72 (Vers 19). Vor Christus, dem Herrscher über Himmel und Erde knien einander symmetrisch zugewandt Konrad und Gisela. Zur Sicherheit sind ihre Namen links und rechts vermerkt. CUONRADUS IMP(ERATOR) – GISELA IMPERAT(RIX). (Sie haben übrigens im Jahr 1016 – also genau vor 1000 Jahren geheiratet!) Beide haben ihre Hände in Gebetshaltung vorgestreckt. Ihre Häupter ragen in die Mandorla hinein. Im Gebet haben sie Kontakt aufgenommen mit der Sphäre Gottes. Kaiser Konrad trägt ebenfalls ein weißes Untergewand, darüber einen purpurroten Mantel – also Christus ähnlich. Seine Königswürde leitet sich vom ewigen König Christus ab. Von ihm empfängt er seine Verantwortung. Ihn soll er nachahmen.

Per me reges regnant(Spr 8,15) steht ja auf einem Medaillon der Reichskrone. Durch Christus regieren die Könige der Erde. Sie verdanken ihm ihre hohe Stellung, ihm sind sie aber auch eindeutig Rechenschaft schuldig. Gisela trägt ein tiefblaues, goldgesäumtes Gewand und einen weißen Schleier. Die Farbe ihres Gewandes korrespondiert übrigens mit der Darstellung des zweiten Widmungsbildes, auf dem die Gottesmutter Maria ebenfalls mit blauem Gewand zu sehen ist. Sie, die Himmelskönigin soll offensichtlich auch das Vorbild der irdischen Herrscherin sein. Beide, Konrad und Gisela, tragen Bügelkronen auf ihrem Haupt. Sie verharren in Proskynese, d. h. sie fallen vor ihm nieder. Es ist – wie in der Bibel oft zu finden – die Haltung tiefer Ehrfurcht und Demut, wie sie vor der göttlichen Erscheinung angebracht ist. Von daher ist diese Haltung auch in unsere Liturgie eingegangen. Wir beugen uns demütig vor dem, was größer ist als wir selbst. Was wir ehrfürchtig verehren und bestaunen.

Die ganze Szene scheint der Zeitlichkeit entrückt. Sie ist wie ein kurzer Einblick in die Sphäre Gottes. Am oberen Bildrand sehen wir als Andeutung der himmlischen Liturgie über einem Wolkenband fünf Engel links und vier Engel rechts. Sie symbolisieren die neun Engelchöre, wie sie in der Tradition immer wieder beschrieben werden. Sie sorgen für den immerwährenden Lobgesang. Die lateinische Umschrift im Rahmen des Bildes spricht für sich:

ANTE TUI VULTUM MEA DEFLEO CRIMINA MULTUM

DA VENIAM MEREAR CUIUS SUM MUNERE CAESAR

PECTORE CUM MUNDO REGINA PRECAMINA FUNDO

AETERNAE PACIS ET PROPTER GAUDIA LUCIS

Vor deinem Angesicht beweine ich meine Verfehlungen sehr.

Gib Gnade, derer Gabe ich als Kaiser bedarf.

Mit reinem Herzen trage ich die königlichen Bitten vor

für den ewigen Frieden und wegen des Lichtes Freude.

Es sind Worte, die Kaiser Konrad in den Mund gelegt werden. Er bekennt freimütig; ja unter Tränen, seine Sünden. Er ist sich seiner Verfehlungen bewusst. Er bedarf der Gnade Gottes und bleibt immer auf dessen Barmherzigkeit angewiesen in Zeit und Ewigkeit. Die Unterwerfung des Kaisers unter Christus zeigt das Selbstverständnis des Königtums, das was wir mit Gottesgnadentum bezeichnen. Der König bekommt zwar eine große Würde und Verantwortung geschenkt. Aber er darf nicht eigenmächtig und willkürlich schalten und walten. Er ist nicht sein eigener Gesetzgeber, sondern hat die vornehme Aufgabe, die göttliche Weltordnung und das göttliche Gesetz zu beachten und zu bewahren.

Kommen wir noch einmal zu dem Buch zurück, das Christus in den Händen trägt. Es erinnert an die Vision in der Offenbarung des Johannes. Dort nimmt das Lamm als Symbol für den geopferten Christus das Buch mit den sieben Siegeln und öffnet die Siegel. Dazu erklingt das neue Lied (sozusagen das Vorbild für jede Kirchenmusik):

Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen,

denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben

aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern…

Ihm der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre

und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit.

Und die vier Lebewesen sprachen: Amen (Offb 5,9.14a).

Damit sind wir bei den vier Medaillons, die ja die vier Evangelisten bezeichnen. Diese vier Lebewesen werden ja in der Apokalypse öfter genannt.  Sie umringen den himmlischen Thron. Zum ersten Mal werden im Buch des Propheten Ezechiel diese geheimnisvollen Wesen beschrieben: Lebewesen mit dem Gesicht eines Menschen, eines Löwen, eines Stiers und einem Adler. Wir alle kennen diese Symbolik, aber was besagt sie genau? Hieronymus, der große Bibelgelehrten des 4. Jahrhunderts –  seine Vorreden zu den Evangelien findet sich ja auch im Codex aureus  ordnet diese Gestalten den vier Evangelisten zu. Er verknüpft sie mit den Anfängen der vier Evangelien: Die erste Gestalt, die eines engelgleichen Menschen, deutet hin auf Matthäus, der die menschliche (Vor-)Geschichte Jesu beschreibt und mit dem Stammbaum Jesu beginnt. Die zweite Gestalt deutet hin auf Markus. Er beginnt sein Evangelium mit dem Auftreten Johannes des Täufers, dessen Bußruf wie die Stimme eines brüllenden Löwen in der Wüste hörbar wird: „Bereitet dem Herrn den Weg, macht eben seine Pfade“. Die dritte Gestalt eines Opferstiers verweist auf den Beginn des Lukasevangeliums, die Kindheitsgeschichte des Johannes. Lukas beschreibt dort zunächst den Priester Zacharias, der im Tempel zu Jerusalem Opfer darbringt. Die Adler schließlich verweist auf den Evangelisten Johannes, der mit seinem feierlichen Prolog höher fliegt als alle andere – sozusagen mit seiner kühnen Deutung alle überflügelt.  Der Mensch – oft auch als Engel gedeutet – steht also für Matthäus, der Löwe für Markus, der Stier für Lukas und der Adler für Johannes.

Zwei Jahrhunderte später deutet Gregor der Große die Symbolik auf die entscheidenden Glaubenswahrheiten der Bibel: Der Mensch steht für die Menschwerdung Gottes, der Stier für den Opfertod Christi, der Löwe für die Auferstehung Christi und der Adler für die Himmelfahrt.  Die Medaillons mit den vier Wesen tragen jeweils die Umschrift:

IOHANNES QUI SIGNATUR PER AQUILAM 

LUCAS PER VITULUM

MATHEUS PER HOMINEM

MARCUS PER LEONEM.

Interessant ist die mittelalterliche Deutung der Vierzahl: Vom unserem Dom – wie auch vom Codex aureus – sind wir ja symbolische Zahlenspiele gewohnt: Rhabanus Maurus, der große Gelehrte der Karolingerzeit, schreibt dazu:

„Vier Ströme fließen aus dem Paradiesquell, um die ganze Erde zu bewässern. Vier Evangelisten gehen aus der einen Quelle, die Christus ist, hervor, um die trockenen Herzen zu tränken, damit sie grünen und in Tugenden erblühen. Aus vier Elementen ist im Großen alle Zier der Welt gefügt. Vier Tugenden sind es, mit denen die kleinere Welt, der Mensch, geziert sein soll.“

So wie sich der Makrokosmos zusammensetzt aus Erde, Wasser, Feuer und Luft, so wird sozusagen als Mikrokosmos der Mensch definiert durch die Kardinaltugenden. Sein Wesen, seine Würde, seine Menschlichkeit, bestehen eben aus Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Tugenden, die nicht zuletzt einen christlichen Herrscher auszeichnen müssen, der sich am Evangelium orientiert.

1046 – vor 970 Jahren – vermutlich am 15. August, dem Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, hat Kaiser Heinrich III. dem Dom dieses kostbare Buch geschenkt.

HIC EST LIBER VITAE QUIA VITAM CONTINET IN SE

QUI FACIT HAEC VERBA CAPIET CELESTIA REGNA

Gleich nach den Widmungsbildern folgen auf einem prunkvoll ausgestatteten Blatt diese Worte:

Dies ist das Buch des Lebens, weil es das Leben in sich birgt.

Wer diese Worte tut, wird das Himmelreich gewinnen.

So sehr sich die Zeiten geändert haben, gibt es doch eine großartige Kontinuität. Auch und gerade in den Zeiten von Internet und E-Mail, von Facebook und Twitter, von Megadateien und Clouds, bleibt das Wort Gottes etwas Besonderes, etwas Kostbares und Einzigartiges, sammeln wir Christen immer wieder, um es zu hören, um es lebendig werden zu lassen in unserer Mitte, um uns davon inspirieren zu lassen, damit auch uns die Verheißung des Evangeliums gilt: Wer diese Worte nicht nur hört, sondern tut, wird das Himmelreich gewinnen. Oder wie es die göttliche Stimme aus der Wolke bei der Verklärung sagt: Dies ist mein geliebter Sohn. auf ihn sollt ihr hören (Lk 9,35). Auf ihn zu hören, sein Wort ernst zu nehmen und beachten, es als Orientierung zu verstehen, damit wir den rechten Weg nicht verfehlen, ist heute für uns nicht weniger aktuell als für die Menschen vor tausend Jahren, um den ewigen Frieden und des Lichtes Freude geschenkt zu bekommen.

Josef D. Szuba

Literatur:

Das salische Kaiser-Evangeliar. Der Kommentar, Johannes Rathofer (Hrsg.), mit einem Geleitwort von Bischof Anton Schlembach. Münster u. a., Verlag Bibliotheca Rara. 1998. Speziell zu den Widmungsbildern Band I, S. 433ff.;

Heinrich u. Margarethe Schmidt, Die vergessene Bildsprache christlicher Kunst, München 1981, S.171f.

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