südseiteklein.jpgPredigt zum Privilegienfest 2012

Der heilige Guido von Pomposa

Krone33.jpgSalier

Gesellschaft e.V.

 

Predigt zur Lichtermesse am 4. August 2012

 

“Surge, Spira, et respira,

Mente gira dei mira

edita divinitus.

Surge Rhenus, sis amoenus,

Quod serenus, laude plenus,

Fulget tuus ambitus.“

 

Mit diesen Worten beginnt die 12-strophige Sequenz, die im Mittelalter hier in Speyer zum Fest des hl. Guido gesungen wurde. „Surge Spira, et respira.“ Gleich zu Beginn ein kleines Wortspiel mit dem Namen Speyer – lateinisch Spira: Surge Spira, et respira. – „Erhebe dich Speyer, atme auf. Erwäge im Geist die Wunder Gottes, die Gott dir verkündet hat. Erhebe dich, Rhein, sei anmutig schön, denn heiter voll des Lobes leuchtet dein Gestade“.

 

Vermutlich ist dieser poetische Text sogar hier in Speyer entstanden. In klassischen Versen besingt er das Leben des hl. Guido von Pomposa, der zum zweiten Stadtpatron von Speyer geworden ist. Heute will ich dessen Leben kurz in Prosa nacherzählen.

 

Um das Jahr 970 wurde Guido in der Nähe von Ravenna geboren. Er stammt aus einer begüterten und angesehenen Familie. Als junger Mensch verzichtet er freiwillig auf sein Erbe, geht gegen den Willen seiner Eltern heimlich nach Rom und lässt sich dort zum Priester weihen. Zunächst will er ins Hl. Land pilgern, aber schließlich kehrt er in seine Heimat zurück, um dort als Einsiedler zu leben. Nach einigen Jahren in der Einsamkeit tritt er ins Benediktinerkloster Pomposa ein. Dort erkennt man mehr und mehr seine Fähigkeiten, so dass er nacheinander mit verschiedenen Ämtern betraut wird. Schließlich wird er noch in jungen Jahren zum Abt gewählt. Er leitet das Kloster fast vierzig Jahre lang. Dabei führt er die Abtei zu hoher Blüte. Trotz oder gerade wegen seiner Strenge wächst die Zahl der Mönche. Neben dem religiösen Leben blühen auch Unterricht und Wissenschaft.

 

Nebenbei: Im Kloster lebt noch ein anderer Mönch mit dem Namen Guido. Später wird man ihn Guido von Arezzo nennen. Er entwickelt eine neue Methode, den Verlauf einer Melodie festzuhalten. Er ist praktisch der Erfinder der Notenschrift im Liniensystem. Im Grunde geht unsere ganze musikalische Notationsform auf ihn zurück. Weil er mit seinen neuen Ideen im Kloster aber für Unruhe sorgt, verlässt er Pomposa, geht nach Arezzo und Rom, von wo aus seine Methode sich immer mehr ausbreitet.

 

Aber zurück zu Guido von Pomposa. Im Jahr 1046 zieht König Heinrich III. nach Italien. Er will in Rom zum Kaiser gekrönt werden. Zunächst beruft er in Norditalien eine Versammlung ein. Abt Guido macht sich auf den Weg, aber unterwegs stirbt er in der Nähe von Parma. Sein heiligmäßiger Ruf ist schon so verbreitet, dass sich die Einwohner von Parma seines Leichnams bemächtigen. Sie wollen ihn in ihrer Stadt bestatten und verehren. Es kommt zum Streit mit den Mönchen von Pomposa, die seinen Leichnam zurückfordern. In diesem Moment tritt König Heinrich hinzu. Ihm ist das vorbildliche Leben des Abtes Guido bekannt. Kurz entschlossen verfügt er, dass weder die eine noch die andere Streitpartei den Leichnam erhalten soll. Der Leib des Heiligen wird zunächst nach Verona in die Kirche San Zeno gebracht. Nach seiner Kaiserkrönung im Dezember 1046 in Rom, auf dem Rückweg nach Deutschland nimmt Heinrich die Gebeine mit als kostbare Reliquien. Am 4. Mai 1047 erreicht der Transport Speyer. Hier finden die Gebeine ihre endgültige Ruhestätte in der neuen Stiftskirche St. Johannes

 

Der Gedenktag des hl. Guido ist nicht - wie meist üblich - der Sterbetag, sondern der Tag der Ankunft des Heiligen, der Translatio, der Überführung. Bald nennt man die Basilika St. Johannes und St. Guido. Daher kommt der heutige Namen Weidenberg. Wido ist nichts anderes als die germanische Form des Namens Guido. Und wir stellen fest: Abt Guido wird sofort als Heiliger verehrt. Damals gab es noch keine dem Papst vorbehaltene Heiligsprechungen. Wenn man im frühen Mittelalter einen Menschen als besonders glaubwürdig und heiligmäßig verehrte, erfolgte sozusagen eine Heiligsprechung von unten durch das Volk, durch die Öffentlichkeit, ohne langwierigen kirchenrechtlichen Prozess und das Warten auf Wunder – sozusagen „santo subito“.

 

Nach und nach entsteht eine ausführliche Lebensbeschreibung des hl. Guido. Darin enthalten sind einige spektakulären Wunderberichte. Ohne Probleme könnte man denen zufolge den hl. Guido heute zum Patron der Beauftragten für Arbeitsschutz und Sicherheit erklären: Denn die Legende erzählt: „Als nun die Frömmigkeit und die Zahl der Mönche wuchs, baute der Mann, der in göttlichen Dingen überaus eifrig war, das Kloster aus. Als die Brüder an seinem Bau arbeiteten, stürzten einst von den oberen Teilen der Mauer, nicht ohne Zutun des Teufels, mit Steinschutt beschwerte Gerüste auf die Erde herab. Bei diesem Sturz fielen einige der Arbeiter. die auf den Gerüsten arbeiteten, ganz hinunter. Sie erlitten aber keinerlei Verletzungen. Einige blieben aber ungefährdet, da sie beim Fallen an der Mauer und einigen Balken hängen blieben. So wie der verehrungswürdige Abt die Fallenden durch seine Verdienste vor Verletzungen beschützte, so brachte er durch seine Gebete, diejenigen, die hingen, unverletzt in Sicherheit.“

 

Trotz aller Askese wusste Guido wohl auch den Wein zu schätzen. Denn seine Lebensbeschreibung überliefert folgende Episode: „Ein andermal legte ein Diener ein großes, mit Wein gefülltes Fass unvorsichtig auf eine Mauer. Es fiel zu Boden. Die Verdienste des heiligen Mannes bewirkten, dass weder das Fass zerbrach noch Wein verschüttet wurde.“ Also wäre Guido auch als Patron für ungeschickte Kellermeister geeignet.

 

Aber genug von diesen legendären Geschichten, die auf anschauliche Weise begreiflich machen wollen, wie groß sein Einfluss und seine positive Ausstrahlung waren. Wichtiger und bedeutsamer scheint mir, dass Guido ein entschiedener Vertreter der Kirchen- und Klosterreform war. Es geht darum, die Nachfolge Christi radikal zu verwirklichen. Jedes Kloster soll ein Modell der Urkirche sein. Das Zusammenleben der Mönche wird zum Beispiel dafür, dass jeder Christ nach dem Bild Gottes geschaffen ist, wie es Paulus in der  heutigen Lesung sagt: „Legt den alten Menschen ab und erneuert euren Geist und Sinn, zieht den neuen Menschen an und lebt gerecht und heilig.“ (Eph 4,22)

 

Dabei muss besonders der Abt mit gutem Beispiel vorangehen: Nicht von ungefähr kann die alte Benediktsregel bis zum heutigen Tag. mit jedem Management-Ratgeber mithalten, wenn sie ihn nicht sogar bei weitem übertrifft. Was die Regeln für vorbildliches Führungsverhalten und fairen Umgang miteinander angeht, ist sie heute brandaktuell. Etwa wenn vom Abt gesagt wird: Er soll alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch sein Reden sichtbar machen. Oder: er lasse sich immer vom Gespür für den rechten Augenblick leiten und verbinde Strenge mit gutem Zureden. Er zeige den entschlossenen Ernst des Meisters und zugleich die liebe Güte des Vaters. Offensichtlich muss Guido in diesem Geist sein Kloster geleitet haben. Jedenfalls war sein Führungsstil überzeugend und motivierend.  Sein Ruf – so bezeugt seine Vita - verbreitete sich in ganz Italien.

 

Aber kehren wir zurück zum weiteren Verlauf seiner Verehrung. Das Stift St. Guido bestand fast 800 Jahre. Beim großen Standbrand 1689 ging es in Flammen auf. Danach wurde es wieder errichtet, in der Französischen Revolution zerstört und schließlich ganz preisgegeben. Die Reliquien kamen ins Kloster St. Magdalena. Bei der Gründung des Missionshauses der Spiritaner wurde eine neue Kirche gebaut und die Reliquien wurden dort aufbewahrt. Nach der Auflösung des Missionshauses wurde im Jahr 2000 der größere Teil der Gebeine durch Bischof Schlembach und die Pfarrer von Speyer zurückgebracht nach Pomposa, von der Bevölkerung dort mit großer Begeisterung begrüßt. Inzwischen gibt es erfreulicherweise sogar einen Freundeskreis Speyer – Pomposa. In Speyer als Reliquie verblieben ist ein Oberarmknochen, der sich in der Katharinenkapelle unseres Domes befindet.

 

Soviel in aller Kürze zum Leben und der Wirkungsgeschichte des hl. Guido. Ein Lehrer aus Rodalben, Richard Antoni hat vor wenigen Jahren die ganze Überlieferungsgeschichte akribisch zusammengetragen und eine Promotion an der Universität Heidelberg daraus gemacht. 2009 ist sein Werk ist in der Reihe des Bistumsarchivs erschienen.

 

Um das Andenken des hl. Guido als Stadtpatron aufzuwerten, haben Bischof und Domkapitel in diesem Jahr am 4. Mai den Stadtvorstand zum Gottesdienst und anschließendem Austausch im Bischofshaus eingeladen. Die positive Resonanz dieses Treffens lässt hoffen, dass daraus eine gute Tradition wird.

 

Es war auch eine schöne Fügung, dass genau am Gedenktag des hl. Guido Papst Johannes Paul II. nach Speyer kam: am 4. Mai 1987, also exakt vor 25 Jahren. Auch wenn er in seiner Predigt auf dem Domplatz den hl. Guido nicht ausdrücklich erwähnte, sprach er von den vielen Heiligen, die mit Speyer, mit dem Dom in Berührung gekommen sind. Das damalige Evangelium waren die Seligpreisungen der Bergpredigt. Die Heiligen sind für ihn die wahren Realisten und die Optimisten, die die Welt zum Positiven verändern. Was er damals den 60.000 Zuhörern sagte, gilt auch heute uneingeschränkt – im Blick auf das Beispiel des hl. Guido, aber auch im Blick auf unsere persönlichen Aufgaben und Fragestellungen, auf unseren Auftrag in Kirche und Welt.

 

Lassen wir es uns noch einmal gesagt sein in unserer heutigen Situation. Zunächst zählt Johannes Paul die ganzen Herausforderungen der Gegenwart auf, die sich in Europa stellen und die heute nicht weniger geworden sind: die Suche nach den christlichen Wurzeln, der Weltfriede, Religionsfreiheit, Wiedervereinigung der Christen. Und er stellt die Frage: „Was kannst du, der einzelne, dazu tun? Kannst du überhaupt etwas dazu beitragen? Darauf gebe ich euch zur Antwort: Ja, du, der einzelne, kannst etwas in Bewegung setzen. jeder gute Entschluss, jede bereite Übernahme einer Aufgabe beginnt immer beim einzelnen Menschen. Das Ja einer einzelnen Person, mit Hochherzigkeit gegeben und im eigenen Lebensbereich treu durchgehalten, kann tatsächlich tief greifende Veränderungen zum Guten auf kirchlicher wie auf gesellschaftlicher Ebene einleiten und wirksam fördern.“

 

Ja sagen zu deiner Arbeit, zu deinen Aufgaben, Ja sagen zu dem, was jetzt ansteht und was nur du tun kannst. Nicht auf andere warten, nicht nur kritisieren oder sogar resignieren, sondern selbst Hand anlegen. Das ist unser Programm, mit dem wir als Christen positiv unsere Welt verändern können.

 

„Surge Spira, et respira.“ – Erhebe dich Speyer, atme auf. Erneuere deinen Geist und Sinn. Erwäge die Wunder, die Gott auch heute in deiner Mitte wirken will, wenn Du dich darauf einlässt.

 

Josef D. Szuba

 

 

Quellen:

Richard Antoni. St. Guido, Speyer 2009

Regula benedicti

 

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