Predigt: Privilegienfest 2012 |
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Predigt zur Lichtermesse am 4. August 2012 “Surge,
Spira, et respira, Mente gira
dei mira edita
divinitus. Surge
Rhenus, sis amoenus, Quod
serenus, laude plenus, Fulget tuus ambitus.“ Mit
diesen Worten beginnt die 12-strophige Sequenz, die im Mittelalter hier in
Speyer zum Fest des hl. Guido gesungen wurde. „Surge Spira, et respira.“
Gleich zu Beginn ein kleines Wortspiel mit dem Namen Speyer – lateinisch
Spira: Surge Spira, et respira. – „Erhebe dich Speyer, atme auf. Erwäge im
Geist die Wunder Gottes, die Gott dir verkündet hat. Erhebe dich, Rhein, sei
anmutig schön, denn heiter voll des Lobes leuchtet dein Gestade“. Vermutlich
ist dieser poetische Text sogar hier in Speyer entstanden. In klassischen
Versen besingt er das Leben des hl. Guido von Pomposa, der zum zweiten
Stadtpatron von Speyer geworden ist. Heute will ich dessen Leben kurz in
Prosa nacherzählen. Um das Jahr 970 wurde Guido in
der Nähe von Ravenna geboren. Er stammt aus einer begüterten und angesehenen
Familie. Als junger Mensch verzichtet er freiwillig auf sein Erbe, geht gegen
den Willen seiner Eltern heimlich nach Rom und lässt sich dort zum Priester
weihen. Zunächst will er ins Hl. Land pilgern, aber schließlich kehrt er in
seine Heimat zurück, um dort als Einsiedler zu leben. Nach einigen Jahren in
der Einsamkeit tritt er ins Benediktinerkloster Pomposa ein. Dort erkennt man
mehr und mehr seine Fähigkeiten, so dass er nacheinander mit verschiedenen
Ämtern betraut wird. Schließlich wird er noch in jungen Jahren zum Abt
gewählt. Er leitet das Kloster fast vierzig Jahre lang. Dabei führt er die
Abtei zu hoher Blüte. Trotz oder gerade wegen seiner Strenge wächst die Zahl
der Mönche. Neben dem religiösen Leben blühen auch Unterricht und
Wissenschaft. Nebenbei: Im Kloster lebt noch
ein anderer Mönch mit dem Namen Guido. Später wird man ihn Guido von Arezzo
nennen. Er entwickelt eine neue Methode, den Verlauf einer Melodie festzuhalten.
Er ist praktisch der Erfinder der Notenschrift im Liniensystem. Im Grunde
geht unsere ganze musikalische Notationsform auf ihn zurück. Weil er mit
seinen neuen Ideen im Kloster aber für Unruhe sorgt, verlässt er Pomposa,
geht nach Arezzo und Rom, von wo aus seine Methode sich immer mehr
ausbreitet. Aber zurück zu Guido von
Pomposa. Im Jahr 1046 zieht König Heinrich III. nach Italien. Er will in Rom
zum Kaiser gekrönt werden. Zunächst beruft er in Norditalien eine Versammlung
ein. Abt Guido macht sich auf den Weg, aber unterwegs stirbt er in der Nähe
von Parma. Sein heiligmäßiger Ruf ist schon so verbreitet, dass sich die
Einwohner von Parma seines Leichnams bemächtigen. Sie wollen ihn in ihrer
Stadt bestatten und verehren. Es kommt zum Streit mit den Mönchen von
Pomposa, die seinen Leichnam zurückfordern. In diesem Moment tritt König
Heinrich hinzu. Ihm ist das vorbildliche Leben des Abtes Guido bekannt. Kurz
entschlossen verfügt er, dass weder die eine noch die andere Streitpartei den
Leichnam erhalten soll. Der Leib des Heiligen wird zunächst nach Verona in
die Kirche San Zeno gebracht. Nach seiner Kaiserkrönung im Dezember 1046 in
Rom, auf dem Rückweg nach Deutschland nimmt Heinrich die Gebeine mit als
kostbare Reliquien. Am 4. Mai 1047 erreicht der Transport Speyer. Hier finden
die Gebeine ihre endgültige Ruhestätte in der neuen Stiftskirche St. Johannes
Der Gedenktag des hl. Guido ist
nicht - wie meist üblich - der Sterbetag, sondern der Tag der Ankunft des
Heiligen, der Translatio, der Überführung. Bald nennt man die Basilika St.
Johannes und St. Guido. Daher kommt der heutige Namen Weidenberg. Wido ist
nichts anderes als die germanische Form des Namens Guido. Und wir stellen
fest: Abt Guido wird sofort als Heiliger verehrt. Damals gab es noch keine
dem Papst vorbehaltene Heiligsprechungen. Wenn man im frühen Mittelalter
einen Menschen als besonders glaubwürdig und heiligmäßig verehrte, erfolgte
sozusagen eine Heiligsprechung von unten durch das Volk, durch die
Öffentlichkeit, ohne langwierigen kirchenrechtlichen Prozess und das Warten
auf Wunder – sozusagen „santo subito“. Nach und nach entsteht eine ausführliche
Lebensbeschreibung des hl. Guido. Darin enthalten sind einige spektakulären Wunderberichte.
Ohne Probleme könnte man denen zufolge den hl. Guido heute zum Patron der
Beauftragten für Arbeitsschutz und Sicherheit erklären: Denn die Legende
erzählt: „Als nun die Frömmigkeit und
die Zahl der Mönche wuchs, baute der Mann, der in göttlichen Dingen überaus
eifrig war, das Kloster aus. Als die Brüder an seinem Bau arbeiteten,
stürzten einst von den oberen Teilen der Mauer, nicht ohne Zutun des Teufels,
mit Steinschutt beschwerte Gerüste auf die Erde herab. Bei diesem Sturz
fielen einige der Arbeiter. die auf den Gerüsten arbeiteten, ganz hinunter.
Sie erlitten aber keinerlei Verletzungen. Einige blieben aber ungefährdet, da
sie beim Fallen an der Mauer und einigen Balken hängen blieben. So wie der
verehrungswürdige Abt die Fallenden durch seine Verdienste vor Verletzungen
beschützte, so brachte er durch seine Gebete, diejenigen, die hingen, unverletzt
in Sicherheit.“ Trotz aller Askese wusste Guido
wohl auch den Wein zu schätzen. Denn seine Lebensbeschreibung überliefert
folgende Episode: „Ein andermal legte
ein Diener ein großes, mit Wein gefülltes Fass unvorsichtig auf eine Mauer.
Es fiel zu Boden. Die Verdienste des heiligen Mannes bewirkten, dass weder
das Fass zerbrach noch Wein verschüttet wurde.“ Also wäre Guido auch als Patron für ungeschickte Kellermeister
geeignet. Aber genug von diesen
legendären Geschichten, die auf anschauliche Weise begreiflich machen wollen,
wie groß sein Einfluss und seine positive Ausstrahlung waren. Wichtiger und
bedeutsamer scheint mir, dass Guido ein entschiedener Vertreter der Kirchen-
und Klosterreform war. Es geht darum, die Nachfolge Christi radikal zu verwirklichen.
Jedes Kloster soll ein Modell der Urkirche sein. Das Zusammenleben der Mönche
wird zum Beispiel dafür, dass jeder Christ nach dem Bild Gottes geschaffen
ist, wie es Paulus in der heutigen
Lesung sagt: „Legt den alten Menschen ab und erneuert euren Geist und Sinn, zieht
den neuen Menschen an und lebt gerecht und heilig.“ (Eph 4,22) Dabei muss besonders der Abt
mit gutem Beispiel vorangehen: Nicht von ungefähr kann die alte Benediktsregel
bis zum heutigen Tag. mit jedem Management-Ratgeber mithalten, wenn sie ihn
nicht sogar bei weitem übertrifft. Was die Regeln für vorbildliches
Führungsverhalten und fairen Umgang miteinander angeht, ist sie heute brandaktuell.
Etwa wenn vom Abt gesagt wird: Er soll alles Gute und Heilige mehr durch sein
Leben als durch sein Reden sichtbar machen. Oder: er lasse sich immer vom
Gespür für den rechten Augenblick leiten und verbinde Strenge mit gutem
Zureden. Er zeige den entschlossenen Ernst des Meisters und zugleich die
liebe Güte des Vaters. Offensichtlich muss Guido in diesem Geist sein Kloster
geleitet haben. Jedenfalls war sein Führungsstil überzeugend und
motivierend. Sein Ruf – so bezeugt
seine Vita - verbreitete sich in ganz Italien. Aber kehren wir zurück zum weiteren
Verlauf seiner Verehrung. Das Stift St. Guido bestand fast 800 Jahre. Beim
großen Standbrand 1689 ging es in Flammen auf. Danach wurde es wieder
errichtet, in der Französischen Revolution zerstört und schließlich ganz
preisgegeben. Die Reliquien kamen ins Kloster St. Magdalena. Bei der Gründung
des Missionshauses der Spiritaner wurde eine neue Kirche gebaut und die
Reliquien wurden dort aufbewahrt. Nach der Auflösung des Missionshauses wurde
im Jahr 2000 der größere Teil der Gebeine durch Bischof Schlembach und die
Pfarrer von Speyer zurückgebracht nach Pomposa, von der Bevölkerung dort mit
großer Begeisterung begrüßt. Inzwischen gibt es erfreulicherweise sogar einen
Freundeskreis Speyer – Pomposa. In Speyer als Reliquie verblieben ist ein
Oberarmknochen, der sich in der Katharinenkapelle unseres Domes befindet. Soviel in aller Kürze zum Leben
und der Wirkungsgeschichte des hl. Guido. Ein Lehrer aus Rodalben, Richard
Antoni hat vor wenigen Jahren die ganze Überlieferungsgeschichte akribisch zusammengetragen
und eine Promotion an der Universität Heidelberg daraus gemacht. 2009 ist
sein Werk ist in der Reihe des Bistumsarchivs erschienen. Um das Andenken des hl. Guido
als Stadtpatron aufzuwerten, haben Bischof und Domkapitel in diesem Jahr am
4. Mai den Stadtvorstand zum Gottesdienst und anschließendem Austausch im
Bischofshaus eingeladen. Die positive Resonanz dieses Treffens lässt hoffen, dass
daraus eine gute Tradition wird. Es war auch eine schöne Fügung,
dass genau am Gedenktag des hl. Guido Papst Johannes Paul II. nach Speyer
kam: am 4. Mai 1987, also exakt vor 25 Jahren. Auch wenn er in seiner Predigt
auf dem Domplatz den hl. Guido nicht ausdrücklich erwähnte, sprach er von den
vielen Heiligen, die mit Speyer, mit dem Dom in Berührung gekommen sind. Das
damalige Evangelium waren die Seligpreisungen der Bergpredigt. Die Heiligen
sind für ihn die wahren Realisten und die Optimisten, die die Welt zum
Positiven verändern. Was er damals den 60.000 Zuhörern sagte, gilt auch heute
uneingeschränkt – im Blick auf das Beispiel des hl. Guido, aber auch im Blick
auf unsere persönlichen Aufgaben und Fragestellungen, auf unseren Auftrag in
Kirche und Welt. Lassen wir es uns noch einmal
gesagt sein in unserer heutigen Situation. Zunächst zählt Johannes Paul die
ganzen Herausforderungen der Gegenwart auf, die sich in Europa stellen und
die heute nicht weniger geworden sind: die Suche nach den christlichen
Wurzeln, der Weltfriede, Religionsfreiheit, Wiedervereinigung der Christen. Und
er stellt die Frage: „Was kannst du,
der einzelne, dazu tun? Kannst du überhaupt etwas dazu beitragen? Darauf gebe
ich euch zur Antwort: Ja, du, der einzelne, kannst etwas in Bewegung setzen. jeder
gute Entschluss, jede bereite Übernahme einer Aufgabe beginnt immer beim einzelnen
Menschen. Das Ja einer einzelnen Person, mit Hochherzigkeit gegeben und im
eigenen Lebensbereich treu durchgehalten, kann tatsächlich tief greifende
Veränderungen zum Guten auf kirchlicher wie auf gesellschaftlicher Ebene einleiten
und wirksam fördern.“ Ja sagen zu deiner Arbeit, zu deinen
Aufgaben, Ja sagen zu dem, was jetzt ansteht und was nur du tun kannst. Nicht
auf andere warten, nicht nur kritisieren oder sogar resignieren, sondern
selbst Hand anlegen. Das ist unser Programm, mit dem wir als Christen positiv
unsere Welt verändern können. „Surge Spira, et respira.“ – Erhebe
dich Speyer, atme auf. Erneuere deinen Geist und Sinn. Erwäge die Wunder, die
Gott auch heute in deiner Mitte wirken will, wenn Du dich darauf einlässt. Josef D. Szuba Quellen: Richard Antoni. St. Guido,
Speyer 2009 Regula benedicti |