Predigt: Privilegienfest 2009 |
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Predigt anlässlich des
Privilegienfestes am 1. August 2009 im Speyerer Dom Liebe
Schwestern und Brüder, wieder möchte ich Ihnen heute eine
Person vorstellen, die mit der Geschichte der Salier in enger Verbindung
steht: es ist der hl. Norbert von Xanten. Auf der Innenseite unseres
Domportals finden Sie ihn - etwa in Augenhöhe - dargestellt. Vor 875 Jahren
ist er gestorben als Erzbischof von Magdeburg. Deshalb hat der Orden der
Prämonstratenser zusammen mit dem Bistum Magdeburg ein sog. „Norbertjahr“
ausgerufen. Es begann im Juni mit einem ökumenischen Gottesdienst im
Magdeburger Dom. (Auf Ihrem Platz finden Sie sein Bild, die älteste Darstellung
seiner Person: ein Fresco in der Abtei San Severo in Orvieto.) Wer war dieser Norbert von
Xanten, auch Norbert von Magdeburg genannt? Welche Spuren hat er in der
Geschichte hinterlassen? Und was hat
er uns heute, im 21. Jahrhundert zu sagen? Beginnen möchte ich zunächst mit
den ersten Zeilen seiner Lebensbeschreibung: „Im Jahr 1115 nach Christi Geburt, als Papst Paschalis die Leitung
der Kirche innehatte und Heinrich der Jüngere Kaiser war, lebte und wirkte in
dem Städtchen Xanten Norbert aus dem deutschen Geschlecht der fränkischen
Salier. Er gehörte als Subdiakon dem Klerus an und befand sich in der Mitte
seines Lebens. Er hatte von Natur aus ein gutes Aussehen und Auftreten,
zeichnete sich durch Bildung und Beredsamkeit aus, und machte sich bei allen,
die ihn kannten, durch seine guten Sitten beliebt. Sein Vater von der Burg
Gennep und seine Mutter Hedwig hatten beschlossen, er solle Kleriker werde.
Er spielte am Kaiserhof und beim Erzbischof von Köln eine nicht geringe
Rolle, verfügte über erhebliche Einkünfte, genoss die Vorzüge des weltlichen
Lebens und konnte nach seinem Geschmack leben, wobei die Gottesfurcht
allerdings abnahm.“ Norbert wird uns hier
vorgestellt als einer der vielen Adeligen, die von ihren Eltern für eine
kirchliche Laufbahn bestimmt wurden. Er wurde um das Jahr 1080 geboren. Da er
nicht der erstgeborene Sohn war, sollte er in der Kirche Karriere machen. Wie
eng er mit dem Geschlecht der Salier verwandt war, können wir nicht mit
Sicherheit sagen. Aber sein schneller Aufstieg lässt vermuten, dass es eine
gewisse Nähe zur königlichen Familie gab. In seiner Jugend erhält Norbert
eine gediegene Ausbildung. Mit zwölf Jahren geben ihn seine Eltern an das St.
Viktor-Stift in Xanten, wo er vorbereitet wird auf ein Leben als Chorherr.
Das Zusammenleben und das gemeinsame Gebet stehen im Mittelpunkt der Kanoniker. Im Unterschied zur Mönchsregel des
hl. Benedikt ist ihnen erlaubt, persönliches Eigentum zu besitzen, vornehme Kleidung zu tragen,
Fleischspeisen zu essen oder
ausgedehnte Urlaubsreisen zu machen. Im besten Sinn besitzt Norbert das
gesunde Selbstbewusstsein eines deutschen Grafen, der weiß, dass Adel nicht
nur Vorrang, sondern auch Auftrag und Aufgabe bedeutet. Zunächst lebt er am Hof des
Erzbischofs Friedrich von Köln, dann
als Hofkaplan in der unmittelbaren Nähe Heinrichs V. Dabei konnte er nicht
unberührt bleiben von den Fragen und Auseinandersetzungen seiner Zeit. Papst
Gregor VII. starb, als Norbert gerade geboren war. Die Kirchenreform wollte
über die Erneuerung der Geistlichen die ganze Kirche wachrufen. Die Kleriker
sollten den Zölibat einhalten und sich am Ideal der Urkirche orientieren.
Nach dem Vorbild der Apostel sollten sie auf persönlichen Besitz verzichten.
Kirchliche Ämter sollten nicht mehr käuflich sein. Geistliche Ämter sollten ausschließlich durch die Kirche, das Amt des Bischofs durch den Papst
vergeben werden. Die gregorianische Reform bot damit allerdings genügend
Konfliktstoff. Denn auch der Kaiser
beanspruchte, Bischöfe einsetzen zu dürfen, die zugleich Reichsfürsten sein
sollten. Der Investiturstreit
erschütterte die ganze mittelalterliche Welt. Hautnah erlebt Norbert im Jahr
1111 die massiven Spannungen mit. Er begleitet Heinrich V. auf seinem Zug
nach Italien. Er muss mit ansehen, wie Papst Paschalis II. vom König
verhaftet und erpresst wird. Zunächst scheint es zu einer Einigung zu kommen.
Doch kurz vor der Kaiserkrönung im Petersdom, am 12. Februar 1111, spielen
sich dort unbeschreibliche Szenen ab: Der
Papst erklärt - ganz im Sinn der gregorianischen Reform, dass die
Reichsbischöfe auf ihre weltlichen Rechte als Reichsfürsten (Regalien) verzichten
müssen. Doch er hat nicht mit dem hartnäckigen Widerstand der Bischöfe
gerechnet. Die protestieren heftig, denn sie wollen keineswegs ihre
Privilegien und ihre politischen Ämter als Landesherren aufgeben. Vor der
eigentlichen Zeremonie kommt es zu einem wilden Tumult. Schließlich wird die
Kaiserkrönung abgebrochen. Der Papst und seine Anhänger werden festgenommen,
aus dem Petersdom geführt und in der Nähe von Rom in gefangen gehalten. Erst zwei Monate später, im
April entschließt sich Paschalis – wohl um ein Schisma zu vermeiden - dem
Druck nachzugeben und die Forderungen des Kaisers zu erfüllen. Dazu gehört
auch die Aufhebung des Banns gegenüber Heinrich IV. Als Heinrich V. nach der Kaiserkrönung
mit seinem Gefolge nach Deutschland zurückkommt, kann er am 14. August seinen
Vater in allen Ehren im Dom beisetzen. Bei dieser Gelegenheit verleiht er der
Stadt Speyer die Privilegien, derer wir heute gedenken. Erst elf Jahre später,
1122 kommt es dann mit dem Wormser
Konkordat zur einvernehmlichen Lösung und zur Beendigung des
Investitursstreits. Norbert ist unmittelbarer Zeuge dieser ganzen
dramatischen Vorgänge. Sie erschüttern ihn zutiefst. Mehr und mehr wendet er
sich vom Kaiser ab. Zunehmend sucht er ein Leben der Buße und des Verzichts.
Er entsagt dem Streben nach Macht und Einfluss. Von den Verlockungen der Welt
will er sich nicht mehr gefangen nehmen lassen. Den Bischofsstuhl von
Cambrai, den ihm der Kaiser anbietet, lehnt er entschieden ab. Die Legende verbindet seine
radikale Umkehr mit einem Pferderitt, bei dem er in ein schweres Gewitter
hineinkommt. Der Blitz schlägt unmittelbar vor ihm ein. Den Tod vor Augen
kehrt Norbert im doppelten Sinn um. Ganz ähnlich wie der Apostel Paulus bei
seiner Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus beginnt auch er ein neues Leben.
Er sucht Kontakt zu Mönchen im Benediktinerkloster Siegburg und erlebt andere
Zentren der Reformbewegung. Dabei wird er mit der Regel des hl. Augustinus
vertraut. Im Jahr 1115 lässt er sich nach
gründlicher Vorbereitung vom Kölner Erzbischof zugleich zum Diakon und
Priester weihen. Dann kehrt er nach Xanten zurück. Doch gleich bei seiner
ersten Predigt provoziert er seine Mitbrüder. Er fordert sie zu einer kompromisslosen
Änderung ihrer Lebensweise auf. Dabei erntet er allerdings nichts als
Unverständnis und Spott. Einer der Mitbrüder soll ihm sogar mitten ins
Gesicht gespuckt haben. Norbert trägt
diesen Widerstand mit Gelassenheit. Er sieht die biblische Weisheit bestätigt,
dass der Prophet in seiner Vaterstadt nichts gilt. Warum soll es ihm besser
gehen als Jesus, der in seiner Heimat nicht viel anders behandelt wurde?
(vgl. Mk 6, 1-6). Wie die Jünger sieht Norbert
sich von Jesus zu den Menschen gesandt, um ihnen das Evangelium zu predigen.
Dazu drängt es ihn in die weite Welt. Er macht sich auf den Weg nach
Nordfrankreich. Offensichtlich hat er dort so mitreißend und begeisternd
gepredigt, dass sich ihm einige Gefährten anschließen. In der Diözese Laon
gründet er schließlich in einer einsamen Gegend sein erstes Kloster:
Prémontré. Sehr bald entstehen weitere Gründungen. Dann erfolgt ein zweiter
Bruch. Auf dem Reichstag in Speyer 1126 wird Norbert zugleich vom päpstlichen
Legaten und von König Lothar von Supplinburg zum Erzbischof von Magdeburg
bestimmt. Norbert ist bereit, dieses
verantwortungsvolle Amt anzunehmen. Aber auch hier setzt er Zeichen: Auf
einem Esel reitet er in vor die Tore Magdeburgs. Barfuss und in ärmlicher
Kleidung betritt er die Stadt. Er widmet sich wieder ganz der Reform und der
Besserung der Misstände im Klerus und in der Kirche. Dabei stößt er auf
erbitterten Widerstand. Man versucht sogar, ihn zu töten. 1129 wandelt er das
Stift Unserer lieben Frau ganz in der Nähe des Doms in ein
Prämonstratenser-Kloster um. Es soll zum Prémontré des Ostens werden. Von
hier aus werden die Prämonstratenser-Domkapitel in Ratzeburg, Havelberg und
Brandenburg gegründet. In den wenigen Jahren als
Erzbischof von Magdeburg, gerade einmal acht Jahre, wird Norbert zu immer
neuen und weiteren Aufgaben in Kirche und Reich herangezogen. 1132 und 1133
begleitet er als Erzkanzler König Lothar von Supplinburg auf dessen Zug nach
Rom. Von dieser strapaziösen Reise kommt er schwer erkrankt nach Magdeburg
zurück, wo er am 6. Juni 1134 stirbt. Er wird nicht im Dom begraben, sondern
in der Klosterkirche seiner Mitbrüder. Wenige Jahrzehnte später gibt es
Hunderte von Prämonstratenserklöstern, darunter anfangs einige Doppelklöster,
also Männer- und Frauenkloster nebeneinander. Norberts Heiligsprechung
erfolgt 1582. Da die Stadt Magdeburg nach der Reformation lutherisch wurde,
werden seine Gebeine im Jahr 1626 in die Prämonstratenserabtei Strahov nach
Prag gebracht. Auf unserem Domportal ist
Norbert mit einem Kelch dargestellt, auf dem eine Spinne kriecht. Die Legende
erzählt, dass ihm während der Messe eine giftige Spinne in den Kelch fiel.
Norbert hat aus Ehrfurcht vor dem Blut Christi den Kelch ausgetrunken und die
Spinne mitgeschluckt, die ihm wieder aus der Nase heraus gekrochen ist. Eine
sehr volkstümliche und drastische
Darstellung dafür, dass die Eucharistie die Kraft besitzt, das Böse zu
überwinden. Von Norbert sind uns keine
Schriften oder Predigten überliefert. Dafür spricht sein dramatischer
Lebensweg eine umso deutlichere Sprache. Was ist seine Botschaft an uns?
Inwieweit hilft er uns bei der Erneuerung der Kirche unserer Tage? Da wären viele Impulse zu nennen, die uns
Norbert geben kann: - Etwa sein Weg von einem
angepassten Kleriker, der Karriere machen will, zu einem echten
Kirchenreformer, der es riskiert, sich unbeliebt zu machen und anzuecken. - Seine Sehnsucht, Christus
nachzufolgen und dabei einfach und anspruchslos zu leben. - Seine Entdeckung des Ideals
der Urkirche, dass Glaube sich nur verwirklichen lässt in Gemeinschaft, in
einer Gemeinschaft, in der jeder immer wieder bereit ist, dem anderen zu
verzeihen und den ersten Schritt zur Versöhnung zu gehen. - Seine Hochschätzung des
Gebets und der Eucharistie. „Die Worte,
die ihr im Gebet aussprecht, sollen in eurem Herzen lebendig sein.“ heißt
es dazu in der Ordensregel. - Sein Kampf für die Freiheit
der Kirche. Ebenfalls ein interessanter Impuls für unsere Zeit, wo die Kirche
vielfach eingebunden ist in gesellschaftliche Vorgaben, Erwartungen und
Zwänge. Wo sie möglichst viel teilhaben oder nichts verlieren will an politischer
Macht und gesellschaftlichem Einfluss. Wo sie reich ist an Einrichtungen und
Verbänden, aber nicht immer an Glaube, Hoffnung und Liebe. Die Kirche ist
weitaus mehr als eine nützliche Nichtregierungsorganisation, ein weltweites
Non-profit-Unternehmen oder ein professioneller Sozialkonzern. Sie ist
weniger eine Institution als eine Bewegung, so wie es das heutige Evangelium
zeigt (Lk 9,1- 6). Sie soll und muss gesellschaftliche Verantwortung tragen,
darf sich auf diese Funktion aber nicht reduzieren lassen. Sie ist und bleibt
- wie es das II. Vatikanische Konzil sagt – „Zeichen und Werkzeug für die
innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“
(Lumen gentium 1). Dazu bedarf sie immer wieder der Erneuerung, durch
Menschen, die mit dem Evangelium Ernst machen, wie es der hl. Norbert getan
hat. Zum Schluss möchte ich mit
Ihnen noch einen kleinen Ausflug in die Nordpfalz machen. Auch in unserer
Region gab es ja einige Klöster der Prämonstratenser bzw.
Prämonstratenserinnen. Zu nennen wären Kaiserslautern, Enkenbach,
(Münster-)Dreisen, Hane bei Bolanden und Marienthal am Donnersberg. Hinter
Kirchheimbolanden befindet sich ganz abgelegen der Rothenkircher Hof. Ein
Geheimtipp für eine interessante Exkursion! Von diesem ehemaligen
Prämonstratenserkloster (gegründet 1160)ist heute nur noch das Refektorium,
der Speisesaal erhalten. Es dient inzwischen als Scheune für
landwirtschaftliche Geräte. Erhalten ist das romanische Portal des
Refektoriums. Darauf findet sich die lateinische Inschrift: „Sedibus his panem carni, verbi dabis
auri, deliciis verbi sacius, quam pane cibaris.“ - „Hier wird Speise dem
Leib, das Wort der Seele geboten, besser als Speise dich nährt, nährt dich
die Süße des Wortes.“ Die Inschrift erinnert daran, dass im Kloster
während des Essens zugleich immer eine Tischlesung stattfand, entweder aus
der Hl. Schrift oder einem geistlichen Werk vor allem der Kirchenväter. Viele
Jahrhunderte sind seit den Saliern vergangen. Reiche sind entstanden und
wieder zerbrochen. Die Kirche hat ihre äußere Gestalt verändert. Aber das Wort Gottes, das Evangelium, das
die Heiligen verkündet haben, überdauert die Zeiten. Es bleibt uns
Richtschnur und Verheißung. Es soll für uns geistige und geistliche Nahrung
sein. Es soll uns Kraft und Orientierung schenken auf unserem Lebensweg. Darum kommen wir ja hier immer wieder zum
Gottesdienst zusammen und gestalten nicht einfach nur eine Gedenkstunde.
Mögen wir alle, wie der hl. Norbert und all jene, die ihm nachgefolgt sind,
mehr und mehr Geschmack finden an der Botschaft unseres Glaubens. Möge sich
die Weisheit jener alten Inschrift an uns immer wieder bewahrheiten, wenn wir
das Wort Gottes hören, es uns einverleiben und verkosten: „Besser als Speise dich nährt, nährt dich
die Süße des Wortes.“ (vgl. Ps
19,11; Ez 3,1ff; Offb 10,9ff) Josef D. Szuba Quellen: Elm Kaspar (Hg): Norbert von
Xanten. Adliger – Ordensstifter – Kirchenfürst. Köln 1984 Horstkötter Ludger: Der heilige
Norbert und die Prämonstratenser. Hamborn 2002 Remling Franz Xaver:
Urkundliche Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster im jetzigen
Rheinbayern. 2 Bände, Neudruck. Pirmasens 1973 Weinfurter Stefan: Herrschaft
und Reich der Salier. Grundlinien einer Umbruchszeit. Sigmaringen 1992 Medienzentrum Rheinland:
Norbert von Xanten. Einzelkämpfer – Prediger – Kirchenreformer. Düsseldorf
2007 (DVD) |